Jetzt hat sich die Bundesregierung ein Verfahren ausgedacht, wie sie den geringer Verdienenden in der Ehe, meist den Frauen, am Monatsende mehr vom Lohn lassen kann, und nun ist es auch wieder nicht recht. Die Regierung hat in ihrem Entwurf zum Jahressteuergesetz 2008 ( 16/6290 ) vorgesehen, dass der Ehepartner mit der Steuerklasse V, der jetzt einen besonders hohen Steuerabzug hinnehmen muss, in Zukunft das so genannte Anteilsverfahren wählen kann. Dabei wird dann nur so viel Lohnsteuer einbehalten wie dem Anteil des eigenen Bruttolohns an der Summe der Bruttolöhne beider Ehepartner entspricht. Verdient die Frau also 30 Prozent des gemeinsamen Einkommens und der Mann 70 Prozent, so wird auch die Lohnsteuer in diesem Verhältnis abgezogen.
Im Finanzausschuss des Bundestages hielt sich die Begeisterung für dieses Modell bei einer einer öffentlichen Anhörung von Sachverständigen am 10. Oktober allerdings in Grenzen. So brachte Ulrike Spangenberg vom Deutschen Juristinnenbund die Alternative einer Individualbesteuerung der Eheleute mit übertragbarem Grundfreibetrag ins Spiel. Dadurch könnten mehrere Lohnsteuerklassen wegfallen. Spangenberg nannte das Anteilsfahren problematisch, weil der Arbeitgeber dadurch über das Einkommen des Ehepartners seines Arbeitnehmers informiert würde. Dadurch könnten für die Betroffenen Nachteile entstehen, etwa wenn Frauen mit der Begründung gekündigt würde, in der Ehe stehe ein zweites Einkommen zur Verfügung. Im Übrigen stelle das Finanzamt am Jahresende lediglich eine gemeinsame Steuerschuld des Paares fest, der "interne Ausgleich" zwischen den Eheleuten finde nicht automatisch statt.
Auf diesen Umstand wies auch Hartmut Tofaute vom Deutschen Gewerkschaftsbund hin. Das Anteilsverfahren bringe gegenüber der Kombination der Steuerklassen III/V einen gewissen Fortschritt, doch sollte man nach weiteren Verbesserungen suchen. Aus Sicht der Finanzbeamten sagte Thomas Eigenthaler von der Deutschen Steuer-Gewerkschaft: "Die Finanzverwaltung hat bisher gut mit den bisherigen Steuerklassen gelebt." Sowohl beim Anteilsverfahren als auch bei dem von der FDP vorgeschlagenen Durchschnittssatzverfahren, bei dem sich der Lohnsteuerabzug der Eheleute an ihren durchschnittlichen Steuersätzen des Vorjahres orientiert, werde es auf jeden Fall komplizierter. In beiden Fällen müsste das Finanzamt ein Besteuerungsmerkmal auf der Basis des Vorjahresergebnisses gesondert feststellen. Der Finanzjurist Professor Karl-Georg Loritz von der Universität Bayreuth sagte, er halte es für "äußerst problematisch", wenn der Arbeitgeber den Verdienst des anderen Ehepartners kenne.
Breiten Raum nahm darüber hinaus die geplante Präzisierung des Paragrafen 42 der Abgabenordnung ein. Künftig soll eine "ungewöhnliche rechtliche Gestaltung" dann als missbräuchlich gelten, wenn für sie "keine beachtlichen außersteuerlichen Gründe" nachgewiesen werden können. Thomas Eigenthaler von der Deutschen Steuer-Gewerkschaft nannte diese Vorschrift ein "starkes Schwert", um den Steuermissbrauch zulasten der Allgemeinheit abzumildern. Für die Finanzverwaltung bedeute es eine Vereinfachung, wenn der Steuerzahler künftig nachweisen müsse, dass seine Gestaltung keinen Missbrauch darstellt. Eigenthaler schlug jedoch vor, statt unbestimmter Rechtsbegriffe wie "ungewöhnlich" Fallgruppen zu konstruieren, um die Steuerakrobatik einzudämmen.
Jürgen Brand, Präsident des Deutschen Finanzgerichtstages, nannte die Regelung eine "Allzweckwaffe". Karl Georg Loritz bezeichnete die Neufassung als unpraktikabel, weil die Steuerpflichtigen nicht mehr wüssten, was sie noch machen dürften. Auch Claudia Ende von der Bundessteuerberaterkammer riet dazu, neue unbestimmte Rechtsbegriffe zu vermeiden. Thomas Borstell von der Wirtschaftsprüfungsfirma Ernst&Young bezeichnete die Vorschrift als "investitionsfeindlich", weil sie vorhandene unbestimmte Rechtsbegriffe durch neue ersetze.