BIO-BOOM
Ökologisch hergestellte Lebensmittel gibt es viele. Aber sind sie auch alle gleich gut?
Bio ist in: Etwa 4,8 Milliarden Euro haben die Deutschen 2006 für ökologische Lebensmittel ausgegeben, meldet der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW). Drei Viertel der Verbraucher legen gelegentlich oder häufiger Bio-Produkte in ihren Einkaufskorb. Ihre Entscheidung begründen sie mit Tierschutz, Umweltschutz, der Förderung von Regionalität und mit gesundheitlichen Aspekten. Doch sind die Waren wirklich so gut?
Jeder fünfte Deutsche kauft oft oder ausschließlich "Bio", so das Ökobarometer 2007. Das sind sechs Prozent mehr als 2005. Das Geld, das Bio-Käufer in Discountern, im Supermarkt, auf Wochenmärkten und im Fachhandel lassen, macht zwar nur drei Prozent des deutschen Lebensmittelmarkts aus. Dafür glänzt der Umsatz für Bio-Lebensmittel mit zweistelligen Wachstumsraten. Der Verbraucher hat inzwischen eine riesige Auswahl von Massenware bis "Premium".
Deutsche Öko-Landwirte können den Bio-Hunger längst nicht stillen. Deshalb kommt viel Ware aus dem Ausland: Milch aus Dänemark, Getreide aus Osteuropa und Äpfel aus Südamerika. Entspricht das noch dem Gedanken, nachhaltige Landwirtschaft und damit gesündere Umwelt zu fördern? Laut Gesetz schon. Nach der EG-Öko-Verordnung sind die Begriffe "biologisch" und "ökologisch" gleichwertig. Nur Lebensmittel gemäß darin festgeschriebener Anforderungen dürfen so bezeichnet werden. Das gilt auch für importierte Ware. Doch mit den Klimaschutzbemühungen sind nicht nur Urlaubsflüge, sondern auch "Food Miles" in den Blickpunkt gerückt. Etwa Äpfel aus Neuseeland: Angesichts einer Transportstrecke von rund 23.000 Kilometern sieht es so aus, dass ein deutscher Apfel die ökologischere Wahl ist. Das ist er tatsächlich, hat Michael Blanke von der Universität Bonn herausgefunden. Nach den Berechnungen des Obstbauexperten verbraucht der aus Übersee mit dem Kühlschiff angereiste Apfel rund ein Drittel mehr Energie als der hiesige, der nach Saisonende fünf Monate im Kühlhaus Winterschlaf hält. Aber der Unterschied ist verhältnismäßig gering. Er entspricht in etwa dem CO2-Ausstoß, den man mit dem Auto zum drei Kilometer entfernten Supermarkt verursacht. Für den Verbraucher zählen also persönliche Prioriäten: ob er das Fahrrad zum Supermarkt nehmen möchte, Produkte aus seiner Region bevorzugt oder nach Geschmack, Preis und Verfügbarkeit entscheidet.
Wer sich für Bio-Ware entscheidet, steht vor einem "Label-Dschungel" und einer schier umwerfenden Auswahl. Bei den Logos gilt Folgendes: 2009 tritt die neue EU-Öko-Verordnung in Kraft. Die Verbraucher werden dann auf allen Produkten, die zu mindestens 95 Prozent aus biologischen Zutaten gemäß der Verordnung bestehen, ein neues, EU-einheitliches Logo finden. Das soll mehr Transparenz schaffen. Für deutsche Konsumenten heißt das dann: Noch ein weiteres Label merken. Denn neben dem 2001 eingeführten, nationalen Bio-Siegel, das mittlerweile mehr als 40.000 Lebensmittel tragen, gibt es weitere Zeichen wie die Label der acht deutschen Anbauverbände, zu denen "Demeter", "Bioland" und "Ecovin" gehören. Ihre Regeln sind in vielen Teilen strenger als die der EU-Verordnung. So muss beispielsweise der gesamte Betrieb auf Bio umstellen, es dürfen weniger Tiere pro Hektar gehalten werden und die erlaubte Düngermenge ist stärker begrenzt.
Eine weitere Frage, die sich der Verbraucher stellt, ist die nach dem qualitativen Unterschied zwischen Discounter-Ware und dem Bauernhof um die Ecke. In Supermärkten mit Billigware findet man vor allem Produkte, die den europäischen Mindestanforderungen entsprechen. Verbandsware, die den höchsten Standard erfüllt, den es derzeit für Bio-Produkte gibt, erhält man aus Preisgründen selten. Das Magazin "Ökotest" hat in seiner Septemberausgabe 75 Produkte aus dem Discounter auf Schadstoffe und biospezifische Parameter untersucht. Das Ergebnis: Die Produkt-Qualität war einwandfrei. Was die Tester aber nicht berücksichtigten, waren die verschiedenen Konzepte von nachhaltiger Landwirtschaft, die hinter den Anbausystemen steckten. Und das ist ja der zweite wichtige Punkt, den Öko-Ware vom konventionellen Produkt unterscheiden soll.
Dazu kommt der Aspekt Gesundheit. Bei Rückständen von Pflanzenschutzmitteln kann Obst und Gemüse aus Bioanbau punkten: Es enthält nur selten Rückstände. Konventionelle Ware fällt dagegen immer wieder durch Grenzwertüberschreitungen auf.
Über einen eventuell höheren Nährstoffgehalt von etwa einem ökologisch hergestellten Apfel zu einem konventionell produzierten gibt es keine sicheren Daten. Einige Studien weisen auf einen höheren Anteil gesundheitsfördernder Stoffe wie Vitamin C oder sekundärer Pflanzenstoffe in Bio-Obst und -Gemüse hin. Ökologisch erzeugte Milch scheint wegen des Grünfutters eine günstigere Fettzusammensetzung zu haben. Doch im Vergleich zu Fisch liefert auch Bio-Milch nur eine geringe Menge gesundheitsfördernder Fettsäuren. Und auf den Nährstoffgehalt von Obst und Gemüse haben Faktoren wie Sorte, Standort oder Erntezeit einen größeren Einfluss als das Anbausystem. "Bio allein macht nicht gesünder. Aber Bioprodukte sind ein wichtiger Teil eines nachhaltigen und gesunden Lebensstils", lautet das Fazit eines 2006 veröffentlichten Dossiers des Forschungsinstituts für biologischen Landbau (FiBL) über die Qualität und Sicherheit von Bio-Lebensmitteln. Wie viel die Verbraucher davon essen und von welcher Marke, müssen sie nach eigenem Gewissen entscheiden.