georgien
Nach der vorgezogenen Wahl behält die Präsidentenpartei die Zwei-Drittel-Mehrheit
Der Tag der Wahlen verlief ruhig in der georgischen Hauptstadt Tiflis. Ohne Proteste, aber auch ohne Begeisterung gingen die Menschen in der kleinen Republik auf der Südseite des Kaukasus und östlich des Schwarzen Meeres in die Wahllokale, um am 21. Mai ein neues Parlament zu wählen. Ihrem Präsidenten Michail Saakaschwili hatten sie im Januar eine zweite Amtszeit ermöglicht, nun erlaubten sie auch seiner Partei den Erhalt der Zwei-Drittel-Mehrheit.
Die "Nationale Einheitsbewegung" Saakaschwilis erhielt 120 der 150 Parlamentssitze. Die stärkste Oppositionskraft wurde mit 16 Sitzen das Neun-Parteien-Bündnis "Vereinigte Opposition", gefolgt von den erstmals angetretenen Christdemokraten und der Arbeiterpartei mit jeweils sechs Mandaten. Alle anderen Parteien scheiterten an der Sieben-Prozent-Hürde. Internationale Beobachter hatten die Wahl als - mit Einschränkungen - "im Großen und Ganzen" frei bezeichnet.
Die Opposition wirft dem Präsidenten dennoch Wahlfälschung und Einschüchterungen im Wahlkampf vor. "Die Regierungspartei hat die Opposition und die Zivilgesellschaft mit physischer Gewalt und Verwaltungsressourcen fertig gemacht", so Konstantin Gamsachurdia von der Partei Swoboda (Freiheit). Ihm pflichtet Levan Gachechiladse bei: "Wir werden nicht zulassen, dass eine Handvoll Krimineller unser Land regiert", so der Chef der "Vereinigten Opposition". Seinem Aufruf zum Boykott des Parlamentes folgte folgten bereits die Oppositionsparteien: Sie verzichteten auf 28 der 30 ihnen zuerkannten Mandate.
Doch insgesamt hat die Unzufriedenheit in Georgien mildere Töne angenommen. Dem Aufruf zu Demonstrationen folgten relativ wenige Georgier. Das war nicht immer so: In der Rosenrevolution im November 2003 brachte ein Volksaufstand Präsident Eduard Schewardnadse zu Fall. Seine Regierung war wegen Wahlfälschung, Korruption und exzessiver Gewaltanwendung ins Taumeln geraten. Auch sein Nachfolger Saakaschwili sah sich vergangenes Jahr heftigem Druck der Straße ausgesetzt. Seiner westlich orientierten Politik der raschen Modernisierung wurde zunehmende Armut entgegengehalten. Darüber hinaus werden dem Präsidenten Arroganz und ein autoritärer Führungsstil vorgeworfen. Nino Burdschanadse stand bei der Rosenrevolution gemeinsam mit Saakaschwili an vorderster Front. Doch die Parlamentspräsidentin hat jetzt genug. Wegen Unstimmigkeiten mit ihrem alten Weggefährten über parteiinterne Verfahren und ausbleibende Bemühungen, dem Parlament einen angemessenen Platz einzuräumen, hat sie ihren Rückzug aus der Politik angekündigt. "Mein Entschluss ist endgültig", so Burdschanadse, die vergangene Woche zu Besuch in Berlin war und ihrem Amtskollegen Norbert Lammert im Bundestag ein "Beutekunst-Buch" übergab. Damit wurde symbolisch die Rückführung von Kulturgütern besiegelt, die als Folge des Zweiten Weltkrieges nach Georgien gebracht worden waren. Zur Situation in ihrem Land sagte die scheidende Parlamentspräsidentin: "Ich bin mir sicher, dass Georgien in die richtige Richtung gehen und die Gesellschaft neue, demokratische Werte durchsetzen wird." Burdschanadses Zuversicht weckt Hoffnung, denn das Land ist in einer schwierigen Lage. Das Erbe des Sowjetsystems ist noch nicht bewältigt, die Schritte auf demokratischem Boden sind unsicher. Zudem belasten die Konflikte mit Georgiens abtrünnigen Teilrepubliken Abchasien und Südossetien den Zusammenhalt des Landes. Und Russland wie die USA setzen Georgien wegen seiner geostrategischen Lage und der Baku-Tiflis-Ceyhan-Ölpipeline unter Druck.