DEUTSCHE BAHN
Eckpunkte zur Teilprivatisierung verabschiedet - Opposition unzufrieden
Das Ergebnis ist alles andere als eine Überraschung. Dass die Deutsche Bahn AG (DB AG) privatisiert werden soll, ist seit der Bahnreform 1993 beschlossene Sache. Über das Wie wurde in den vergangenen Jahren allerdings heftig gestritten. Seit dem 30. Mai steht nun fest, auf welchem Weg das geschehen soll. Nach knapp zweistündiger, kontrovers geführter Debatte hat der Bundestag einen Antrag der Koalitionsfraktionen ( 16/9070) verabschiedet, in dem die Eckpunkte für das weitere Verfahren der Teilprivatisierung festgeschrieben sind. Mit der Verabschiedung des dreiseitigen Antrags, dem in namentlicher Abstimmung 355 Abgeordnete zugestimmt haben, wird die Bundesregierung formal beauftragt, die Organisationsstruktur der Bahn so zu ändern, dass die DB AG vollständig im Eigentum des Bundes bleibt. An den in einer Tochter-Holding zusammengefassten Verkehrs- und Logistikunternehmen der Bahn können aber Private mit bis zu 24,9 Prozent beteiligt werden. Die Vorgaben entsprechen dem von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) entwickelten so genannten Holdingmodell.
158 Abgeordnete stimmten bei 516 insgesamt abgegebenen Stimmen gegen den Antrag, drei Parlamentarier enthielten sich. Bei der SPD stimmten 27 Abgeordnete gegen die Vorlage, zwei enthielten sich. Bei der Unionsfraktion gab es eine Enthaltung bei 192 Ja-Stimmen. Ein Antrag der Grünen ( 16/9071) fand in namentlicher Abstimmung keine Mehrheit. Ebenso lehnten die Abgeordneten einen weiteren Antrag der Fraktion ( 16/8046), einen Antrag der FDP ( 16/8774) und einen der Linken ( 16/9306) ab. In den vergangenen Wochen hatten sich vor allem Privatisierungsgegner wie der SPD-Linke Hermann Scheer, der an der Abstimmung nicht teilgenommen hat, immer wieder gegen die Teilprivatisierungspläne ausgesprochen.
Dass die Bundesregierung nun mit der Ausarbeitung eines Beteiligungsvertrages und einer so genannten Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV), in der konkrete Vorgaben zur Verwendung des jährlichen Bundeszuschusses von 2,5 Milliarden Euro an die Bahn gemacht werden sollen, beauftragt ist, kritisisierten die Oppositionsfraktionen am 30. Mai scharf. Tenor: Entgegen den Behauptungen der Koalition bringe die Privatisierung weder mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene, noch entstehe durch die Beteiligung privater Investoren mehr Wettbewerb.
"Der vorliegende Beschluss ist vielleicht ein Gewinn für Bahnchef Hartmut Mehdorn, der Schienenverkehr allerdings ist der Verlierer", wetterte in Anwesenheit von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und mehrerer Minister dann auch Grünen-Fraktionschef Fritz Kuhn. Ordnungspolitisch sei die derzeit geplante Form der Teilprivatisierung ein Versagen. Die Grünen fordern, Netz und Betrieb konsequent voneinander zu trennen. Gleiches will die FDP - allerdings bei einem deutlich höheren Privatisierungsanteil: "Es ist nicht zu verantworten, dass der deutsche Steuerzahler mit 75,1 Prozent für Lkw-Verkehr in Russland oder Bahnverkehr in China haftet", unterstrich Patrick Döring die aus Sicht der Liberalen nötige Vollprivatisierung des Betriebs. Sein Fraktionskollege Horst Friedrich mahnte die fehlende Eigenverpflichtung der DB AG an. Der Bund, so sei es derzeit vorgesehen, zahle der Bahn auch dann noch jährlich 2,5 Milliarden Euro für das Streckennetz, wenn diese bis zu fünf Prozent der Schienen stilllege.
Linksfraktionschef Gregor Gysi nutzte die Debatte für grundsätzliche Privatisierungskritik. Nach Meinung der Linken ist die Teilprivatisierung der DB AG nicht mit der Verfassung vereinbar. Mit dieser Frage werde sich das Bundesverfassungsgericht zu beschäftigen haben. Gysi warnte vor den lediglich an Gewinnmaximierung orientierten Interessen Privater: "Ein Investor ist doch nicht verliebt in die Deutsche Bahn und will schöne Bahnhöfe haben", sagte er, "der will mehr Geld."
Überwiegend zustimmende Worte fanden erwartungsgemäß die Koalitionsabgeordneten. Der Antrag von CDU/CSU und SPD sei "ein guter, und notwendiger Schritt", lobte Klaus Lippold (CDU), Vorsitzender des Verkehrsausschusses. Ziel sei, so Uwe Beckmeyer (SPD) eine "spürbare Attraktivitätssteigerung" des Schienenverkehrs. Diese könne nur unter Einbeziehung privater Investoren erreicht werden. Für den Großteil der Koalition ist der verabschiedete Antrag deshalb die "erfolgreiche Fortentwicklung der Bahnreform", wie Klaus Hofbauer (CSU) sagte.
Um die Daseinsvorsorge weiterhin leisten zu können, seien Patenschaften zwischen Privaten und der öffentlichen Hand zwingend notwendig, hatte zu Beginn der Debatte Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) gesagt. Durch das Geld - die Einnahme-Prognosen schwanken zwischen 3 und 8 Milliarden Euro - werde die Bahn stärker gemacht, um die "enormen Herausforderungen" der Zukunft meistern zu können. Heftig kritisierte die Opposition das Verfahren, mit dem die Bahnprivatisierung im Parlament beschlossen worden ist. Statt eines Privatisierungsgesetzes gebe es jetzt nur einen Antrag, kritisierten die Abgeordneten wütend. Die Linke drohte der Koalition mit einem Untersuchungsausschuss. Einen Antrag zur Absetzung der Debatte von der Tagesordnung hatte die Koalition am Morgen abgelehnt.