AbgeordnetengesetZ
Höhere Bezüge und reduzierte Altersversorgung - eine unpopuläre Entscheidung
Bei Geldfragen hört die Gemütlichkeit auf." Das hat der Abgeordnete David Hansemann schon vor 160 Jahren im Preussischen Landtag festgestellt. Dieselbe Erfahrung mussten in den vergangenen Wochen auch die Abgeordneten des Deutschen Bundestages machen, als die öffentliche Empörung über die geplante Erhöhung ihrer Diäten durch den deutschen Blätterwald rauschte. Ein immer wiederkehrendes Ritual. Heribert Prantl nannte es in der Süddeutschen Zeitung vom 7. November "eine antiparlamentarische Narretei", die nun schon die gesamte Geschichte der Bundesrepublik begleite.
Artikel 48 Absatz 3 des Grundgesetzes bestimmt: "Die Abgeordneten haben Anspruch auf eine angemessene, ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädigung." Aber was ist angemessen? Diese Frage hat in den letzten Jahrzehnten die unterschiedlichsten Gremien, Kommissionen und Beiräte beschäftigt. Im Abgeordnetengesetz 1976 wurde schließlich festgelegt, die Bezüge von Bürgermeistern kleiner Städte oder Gemeinden mit 50.000 bis 100.000 Einwohnern zum Maßstab für die Bezahlung der Abgeordneten zu machen. 1995 ergänzte das Parlament mit einer Gesetzesänderung diese Regelung um die zusätzliche Orientierungsgröße der Bezüge eines Richters an einem obersten Gerichtshof des Bundes.
Dieser gesetzlich festgelegte Maßstab wurde allerdings nie erreicht. Mit dem von den Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD vorgelegten Entwurf zur Änderung des Abgeordnetengesetzes ( 16/6924 ), den der Bundestag am 16. November in namentlicher Abstimmung angenommen hat, soll nun in zwei Schritten eine Annäherung der Abgeordnetenbezüge an diesen Maßstab erfolgen. 377 Abgeordnete stimmten für das Gesetz, 166 Parlamentarier sagten Nein und 14 enthielten sich.
Damit werden die Diäten zum 1. Januar 2008 um 330 Euro auf 7.339 Euro und zum 1. Januar 2009 um 329 Euro auf dann 7.668 Euro angehoben. Eine Steigerung von 4,7 bzw. 4,48 Prozent. Gleichzeitig wird die von vielen als "zu üppig" kritisierte Altersversorgung abgesenkt von bisher drei Prozent der monatlichen Bezüge für jedes Jahr der Mitgliedschaft auf künftig 2,5 Prozent. Ein Versorgungsanspruch entsteht dann bereits nach dem ersten Jahr. Der Höchstsatz der Altersentschädigung wird in Zukunft erst nach 27 Mandatsjahren (bisher 23) erreicht und beträgt dann maximal 67,5 Prozent der monatlichen Bezüge (bisher 69 Prozent). Die Altersgrenze wird analog zur gesetzlichen Rentenversicherung stufenweise auf 67 Jahre angehoben.
"Ausgewogen und sachgerecht" nannte Bundestagsvizepräsidentin Gerda Hasselfeldt (CSU) die Vorschläge. "Unsere Demokratie braucht die Besten im Lande für die politische Verantwortung", sagte sie. Diese würden sich der Entscheidung durch die Wählerinnen und Wähler aber gar nicht stellen, "wenn wir ihnen nicht annähernd das Gefühl vermitteln, dass sie für das, was sie leisten, auch angemessen bezahlt werden". Bundestagsvizepräsidentin Susanne Kastner (SPD) wartete in der Debatte mit einer "erstaunlichen Zahl" auf: Jeder Bundesbürger gebe zur Zeit 60 Cent pro Abgeordnetem aus, nach der Diätenerhöhung seien es 66 Cent - pro Jahr. Hier stelle sich die Frage "nach der Wertigkeit unseres Parlaments und letztlich unserer Demokratie", fügte sie hinzu.
Beide Rednerinnen wandten sich gegen den von der FDP geforderten "Systemwechsel", durch den die Festlegung der Höhe der Diäten einer vom Bundespräsidenten einzusetzenden unabhängigen Kommission übertragen werden sollte. Dies würde bedeuten, die Verantwortung abzuwälzen und sich vor einer Entscheidung zu drücken. Auch Grünen-Geschäftsführer Volker Beck bekräftigte: "Wir können nicht anders, als selbst zu entscheiden."
FDP-Geschäftsführer Jörg van Essen verteidigte den Vorschlag und die damit verbundene Verfassungsänderung als einen "richtigen Weg" für die Festlegung der Altersversorgung und der Diäten. Er verwies auf das Beispiel Nordrhein-Westfalens, das mit dem von der FDP mit durchgesetzten Systemwechsel gute Erfahrungen gemacht habe (siehe Seite 6). Der entsprechende Antrag ( 16/117 ) und der Gesetzenwurf der FDP ( 16/118 ) fanden keine Mehrheit.
Nicht anders erging es der Forderung der Grünen, der Bundestagspräsident möge einen Gesetzentwurf zur Errichtung eines eigenständigen Versorgungswerks des Bundestages vorlegen. Der entsprechende Entschließungsantrag (16/7185 ) wurde ebenfalls abgelehnt. Volker Beck betonte vor dem Plenum ausdrücklich die große Bedeutung einer angemessenen Bezahlung für die Abgeordneten. Sie sichere "die Unabhängigkeit des Mandats und die Unabhängigkeit der Entscheidungen des Hohen Hauses", stellte er fest. Eine angemessene Diätenerhöhung könne aber nur gemeinsam mit einer Strukturreform der Altersversorgung auf Akzeptenz bei der Bevölkerung treffen, so Beck. Auch sei ein Abgeordnetenversorgungswerk langfristig für den Haushalt günstiger als die Finanzierung der Altersversorgung aus dem Bundeshaushalt. Gerda Hasselfeldt widersprach dieser Einschätzung. Susanne Kastner nannte das vorgeschlagene Versorgungswerk ein "bürokratisches Monstrum".
Dagmar Enkelmann, Parlamentarische Geschäftsführerin der Linksfraktion, kritiserte das Gesetz scharf und bezeichnete die geplante Absenkung als "marginal". Die Privilegien bei der Altersversorgung blieben, sagte sie. Ein Durchschnittsrentner müsste, so Enkelmann, 60 Jahre arbeiten, um zu erreichen, was ein Abgeordneter schon nach acht Jahren bekomme. Auch Die Linke plädiere deshalb mit ihrem Antrag ( 16/7107 ) für einen "Systemwechsel" zur Neuregelung der Altersversorgung dahingehend, dass die Abgeordneten künftig für die Zeit ihrer Mandatsausübung gesetztlich rentenversichert werden. Beck bekundete für diesen Vorschlag der Linken auch die Sympathie der Grünen. "Aber so wie Sie es vorschlagen, geht es nicht", kündigte er an. Der Antrag wurde zur weiteren Beratung an den Geschäftsordnungsausschuss überwiesen.
An den SPD-Fraktionsvorsitzenden Peter Struck gewandt, versprach Enkelmann: "Die Linke wird die Erhöhung der Diäten in soziale Projekte in ihren jeweiligen Wahlkreisen spenden."