Konkurrenz belebt das Geschäft - und das ist zumeist gut so. Durch die staatlich angekurbelte Bioenergieproduktion ist nun auch in der deutschen Agrarwirtschaft eine Konkurrenz um Ressourcen, um landwirtschaftliche Anbauflächen entstanden. Diese "Ressourcenkonkurrenz" war Thema einer öffentlichen Anhörung im Agrarausschuss am 12. November. Grundsätzliche Einigkeit herrschte dabei unter den Experten in der Einschätzung, dass durch eine Neuausrichtung der Förderung, den verstärkten Einsatz von landwirtschaftlichen Reststoffen für die Biogasgewinnung und durch die Nutzung von Brachflächen für den Anbau von Getreide für die Bioenergieproduktion die derzeitige Flächenkonkurrenz entschärft werden könnte.
Die gesetzliche Bioenergieförderung habe massive Investitionen ausgelöst, sagte Bernhard Krüsken vom Verband Deutsche Tiernahrung. Gerade in "viehstarken Regionen" sei die Anzahl der Biogasanlagen sprunghaft angestiegen. Die Ressourcenkonkurrenz setze die Tierhaltung unter starken wirtschaftlichen Druck, da die Preise für Futtermittel steigen und vermehrt Flächen für den Anbau von Bioenergie-Getreide genutzt würden, die damit für die Tierhaltung verloren gingen. Krüsken sprach sich dafür aus, bei der Förderung dem Grundsatz "Food comes first" zu folgen und die Anschubförderung des Bioenergiesektors zu beenden.
Udo Hemmerling vom Deutschen Bauernverband machte den weltwirtschaftlichen Aufschwung für gestiegene Lebensmittelpreise verantwortlich. Es sei ein "Rohstoffhunger" entstanden, der sich auch auf agrarische Produkte erstrecke. Man könne etwa für die Milchpreissteigerung nicht die Bioenergie verantwortlich machen. Professor Jürgen Zeddies von der Universität Hohenheim forderte den Verzicht auf zusätzliche finanzielle Hilfen für Biogas. Dies könne die Flächenkonkurrenz entschärfen. Einen Verzicht auf Bioenergie, so Zeddies, könne sich Deutschland nicht leisten. Es müsse aber verstärkt auf die Nutzung von Reststoffen ausweichen. Während in Deutschland Bioenergie bisher vorrangig aus Klimaschutzgründen genutzt wurde, steht weltweit die Energiegewinnung im Vordergrund. Sie decke zehn Prozent des Energiebedarfs, sagte Professor Martin Kaltschmitt von der Technischen Universität Hamburg-Harburg. Angesichts anhaltend hoher Energiepreise werde auch in Europa die Energiegewinnung in den Vordergrund rücken. Einer Nutzungskonkurrenz, so Kaltschmitt, könne man langfristig nicht aus dem Weg gehen. Sie existiere unabhängig von der staatlichen Förderung. Würde man diese einstellen, wären die Konkurrenzen noch weniger steuerbar und die Rahmenbedingungen schwieriger nachhaltig zu gestalten.
Professor Alois Heißenhuber von der Universität München betonte die Bedeutung der "nachhaltigen" Produktion von Biomasse. Das dazu nötige Zertifizierungssystem dürfe nicht nur für Importe, sondern müsse auch für die inländische Produktion gelten. Weiterhin müsse auch die übliche Landnutzung nachhaltig und damit zertifiziert erfolgen. Es mache schließlich keinen Sinn, wenn der Zuckerrohranbau in Brasilien nachhaltig erfolge, aber die dadurch verdrängte Nahrungsmittelfläche durch die Rodung von Regenwald kompensiert werde.
Professor Harald von Witzke von der Humboldt Universität Berlin wies auf den Konflikt zwischen der Sicherung der Welternährung und dem Klimaschutz, verbunden mit der Sicherung der Energieversorgung durch Biogasproduktion, hin. Als ein Gegenmittel empfahl von Witzke, in den reichen Ländern weniger Flächen stillzulegen und in ärmeren Ländern die Flächen intensiver zu nutzen. Für dezentrale Strukturen und die vermehrte Nutzung von Reststoffen plädierte Rüdiger Graß von der Universität Kassel. Er warnte vor den ökologischen Auswirkungen eines expansiven Anbaus von energetischen Nutzpflanzen. Dies würde zur Abnahme der Artenvielfalt und zur Zunahme von Erosion und Umweltgefährdungen durch Nitratauswaschungen führen.