Schweiz
Blochers Partei kämpft um ihr Erbe und steht vor der Spaltung
Aus dem strahlenden Sieger bei den Schweizer Parlamentswahlen im vergangenen Herbst ist ein Sorgenkind geworden: Die nationalkonservative Schweizerische Volkspartei (SVP) steht vor der Spaltung. Und der bekannteste und umstrittenste Politiker der Schweiz, Christoph Blocher, sieht das Ende seiner Karriere nahe. In den kommenden Wochen wird sich zeigen, ob die SVP, die die meisten Parlamentssitze auf sich vereint, wieder zu alter Kraft im politischen Leben der Schweiz finden kann.
Was ist geschehen? Am 1. Juni war wieder mal Abstimmungssonntag in der Schweiz. Alle drei von der SVP eingebrachten Vorlagen, unter anderem zu einer schärferen Regelung für die Einbürgerung von Ausländern, wurden abgeschmettert. Eine dreifache Niederlage, die viele als Folge des Gerangels um die Blocher-Nachfolgerin im Amt des Justizministers, Eveline Widmer-Schlumpf, sehen.
Die Politikerin war gegen den Willen Blochers von einer aus Grünen und Sozialdemokraten geführten Parlamentsmehrheit in das Amt gehoben worden. In der Schweiz wählen die Abgeordneten - nahezu unabhängig vom Wahlergebnis - die sieben, gleichberechtigten Kabinettsmitglieder seit Jahrzehnten im Proporz. Der SVP stehen zwei Posten zu.
Blocher sann auf Rache und betreibt seit der Ernennung Widmer-Schlumpfs ihre Abwahl. Das ist ihm zwar bisher nicht gelungen, aber auf sein Betreiben hin wurde die Politikerin aus der SVP mitsamt ihrem kantonalen Parteiverband und seinen 3.500 Mitgliedern ausgeschlossen - ein einmaliger Vorgang in der Parteiengeschichte der Schweiz. Das veranlasst nun wieder das andere SVP-Kabinettsmitglied, Bundesrat und Verteidigungsminister Samuel Schmid, ein unbequemes, politisches Urgestein, öffentlich den Willen zu bekunden, einer neuen Partei angehören zu wollen. Ob es letztlich zur Bildung einer neuen Partei oder einer eigenen, von der SVP abtrünnigen Fraktion im Parlament kommen wird, ist ungewiss.
Gewiss ist aber, das die triumphalen Zeiten Blochers vorbei sind. Der Mann, der wie kein anderer die Schweizer Politik polarisiert, aber auch - das gestehen ihm seine Kritiker zu - vorangetrieben hat, verliert an Kraft. Er selbst räumt ein, dass der Zeitpunkt nahe ist, seinen politischen Einfluss zurückzuschrauben. Wenn er für die Partei zur Belastung werde, werde er sich sofort zurückziehen, so Blocher. Viele Schweizer, meinte ein Kommentator, hätten seinen Politikstil, der die Schweizer Werte bewahren wolle, geschätzt und ihn gewählt. Zu diesem Werten gehöre aber auch die Fähigkeit zum Kompromiss und zur Bewahrung der Einheit. Da habe Blocher letztlich versagt. Der 67-Jährige müsse deshalb einer neuen Generation Platz machen. Dies könne zur Erneuerung der SVP und einer Rückkehr zu den vertrauten schweizerischen Tugenden in der Politik führen.