SICHERHEIT
Die EU möchte künftig schneller auf internationale Krisen reagieren. Eine gemeinsame Strategie ist nicht in Sicht - und noch immer praktizieren viele Länder lieber außenpolitische Alleingänge
Er gilt als der bisher größte Militäreinsatz der Europäischen Union - und als Beispiel dafür, wie es eher nicht laufen sollte: die europäische Militärmission im Tschad. Nur mühsam auf die Beine gestellt mit schwammigen Konzept, und kaum Aussicht auf Erfolg, so zumindest die Meinung unabhängiger Experten über den Einsatz an der Grenze zur sudanesischen Krisenprovinz Darfur.
Das Europaparlament ist sich der Schwächen im außenpolitischen Auftreten der EU durchaus bewusst. Neben einem größeren Budget brauche die EU der 27 für ihre Außenpolitik vor allem klare gemeinsame Ziele, forderten die Abgeordneten in der Sitzung am 5. Juni.
Dass Paris die Sicherheits- und Verteidigungspolitik während der bevor stehenden französischen EU-Ratspräsidentschaft ausbauen will, wertete der CDU-Europaabgeordnete Karl von Wogau als Chance, die militärische Handlungsfähigkeit der EU zu verbessern. "Dass dies notwendig ist, zeigen unsere Erfahrungen bei den derzeitigen Einsätzen etwa bei der Sicherung von Frieden und Stabilität auf dem Balkan oder beim Einsatz zum Schutz der Flüchtlinge im Tschad", sagte der Vorsitzende des Parlaments-Unterausschusses für Sicherheit und Verteidigung.
In den kommenden Monaten müsse sich die EU in ihrer Außenpolitik vor allem auf den Kampf gegen Terrorismus, organisiertes Verbrechen und Massenvernichtungswaffen konzentrieren. Zudem stehen die Energiesicherheit, der Klimawandel und eine nachhaltige Entwicklung auf der politischen Agenda. Sie reicht aber noch weit darüber hinaus, denn auch die Konfliktbewältigung in den Nachbarstaaten der EU und Fragen der Steuerung der Einwanderung fallen in diesen Bereich. Als Priorität sehen die Parlamentarier in diesem Jahr die Anbindung der Westbalkan-Staaten an die Union. Vor allem der Dialog mit Serbien müsse intensiver werden, damit sich das Land auf seinem Weg in die EU nicht isoliere, hieß es in der Debatte.
Beim Thema Energiesicherheit kritisierten die EU-Parlamentarier die nationalen Regierungen wegen ihrer bilateralen Geschäfte mit Russland. Dies schade den Interessen der gesamten Union als auch der Mitgliedstaaten selbst und untergrabe Projekte wie die geplante Nabucco-Pipeline. Mit der Röhre durch die Ostsee will die EU ihre Abhängigkeit von russischem Gas verringern. Damit Brüssel in Energiefragen künftig stark auftreten könne, muss nach Ansicht der Europaabgeordneten die Stelle eines "Hohen Beauftragten für Energieaußenpolitik" geschaffen werden.
Verbesserungen im außenpolitischen Handeln der EU soll nach dem Vertrag von Lissabon aber vor allem der künftige "Hohe Vertreter der EU für die Außen- und Sicherheitspolitik" bringen, der zugleich Vizechef der EU-Kommission ist. Von ihm erhofft sich die EU mehr Gewicht und ein schärferes Profil in ihren Außenbeziehungen. Mit einer Stimme, die für alle 27 Mitgliedstaaten spricht, so wollen die Europäer als weltpolitischer Akteur effektiver arbeiten und machtvoller auftreten. Stützen können soll sich der neue EU-Außenminister auf einen Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD). Dessen Struktur und Aufgaben, aber vor allem die Frage der Anbindung an Kommisson oder Rat sind allerdings umstritten. "Der EAD funktioniert nicht, wenn nicht die Mitgliedstaaten genügend berücksichtigt werden", erklärte der Hohe Vertreter für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP), Javier Solana am 4. Juni vor dem Europaausschuss des Bundestages. Er müsse mit den Interessen der Mitgliedstaaten kompatibel sein. Auch die im Vertrag von Lissabon vorgesehene ständige Zusammenarbeit einer Gruppe von Mitgliedstaaten im Verteidigungsbereich werde das Außengewicht der EU stärken, heißt es in dem am 4. Juni vom EP verabschiedeten Initiativbericht zur Sicherheits- und Verteidigungspolitik Europas. Die Abgeordneten fordern darin, die Regierungen dazu auf, ihre Militärausrüstung zu teilen und zu bündeln.
Es müsse Schluß damit sein, "dass wir in der EU mit 24 verschiedenen Typen von Hubschraubern herumfliegen", sagte Berichterstatter Helmut Kuhne (SPD). Notwendig sei auch eine gemeinsame Ausbildung für alle europäischen Einsatzkräfte sowie ein festes Planungs- und Einsatzteam für gemeinsame Militäroperationen. Schnellere Entscheidungsverfahren forderten die EU-Parlamentarier zudem für die im Halbjahres-Rhythmus bereit stehenden EU-Kampftruppen, die sogenannten Battle Groups.
Bei seinem Gespräch im Bundestag lobte Solana diese Truppen als "klein, flexibel und schnell zu entsenden". Dass es in "naher Zukunft" eine gemeinsame europäische Armee geben wird, ist nach Meinung Solanas aber nicht sehr wahrscheinlich: "Dass sind Luftschlösser und Zukunftsdiskussionen, die wir aber im Moment nicht führen", erklärte er. Wenn die EU ihre außenpolitischen Ziele verwirklichen möchte, brauche sie auch entsprechende Gelder. Daher müsse das Budget für die GASP wachsen, verlangten die Parlamentarier. Zwar sei der für 2007 bis 2013 zugewiesene Gesamtbeitrag von 1.74 Milliarden Euro für 2008 um 285 Millionen Euro aufgestockt worden. Mehr Geld erfordere aber auch mehr Finanz-Kontrollmacht für das EP.