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Das neue Parlament hat am 1. Juni seinen Präsidenten gewählt - Ali Laridschani
Für seine Verhältnisse war der Tonfall mehr als ungewöhnlich. Anstatt seinen Zuhörern eine seiner üblichen Lektionen zu erteilen, bat Präsident Mahmud Ahmadinedschad in seiner Rede vor dem neu gewählten iranischen Parlament am 27. Mai, Trennendes zurückzustellen. "Die Regierung und das Parlament sollten ein Beispiel für Einheit und Harmonie bilden", warb er und bemühte sinistre Feinde, um sein Anliegen zu unterstreichen. "Wir sollten vorsichtig sein, nicht in Streitereien und Konflikte zu verfallen, die von teuflischen Händen, korrupten Mächten und von Ignoranten geschürt werden."
Die Mehrzahl der vor ihm sitzenden Abgeordneten war nicht sonderlich beeindruckt. Zu lange hatte sich Ahmadinedschad wenig um die Meinung des Parlaments geschert, seine Beschlüsse schlicht ignoriert und gelegentlich sogar offene Verachtung gezeigt. Über die Ausgabenbeschränkungen setzt sich der Präsident regelmäßig hinweg; großzügig bedient er sich aus einem Reservefonds, der aus Öleinnahmen gespeist wird, um seine eigenen Lieblingsprojekte zu finanzieren. Notwendige Infrastrukturmaßnahmen vernachlässigt er dagegen, und seine Ausgabenfreude gilt als eine der Hauptursachen, warum die Inflation in seiner Amtszeit von offiziell 12 auf 25 Prozent angestiegen ist.
Ahmadinedschad gebe sich selbstherrlich, fälle Entscheidungen gegen jeden wirtschaftlichen Sachverstand und profiliere sich mit aggressiven Äußerungen gegenüber dem Westen, die vielleicht seinem Ego, nicht aber den nationalen Interessen des Irans dienten, wird dem Staatschef vorgehalten. Damit soll nun Schluss sein. Ungewöhnlich ist, dass die Kritik auch von Parlamentariern kommt, die eigentlich zum gleichen politischen Lager wie Ahmadine-dschad gehören.
Das aus zwei Wahlgängen hervorgegangene neue, achte iranische Parlament (Majlis) setzt sich aus 198 konservativen Abgeordneten zusammen. 47 Reformer erhielten ein Mandat und 42 Unabhängige, von denen einige zu den Reformern gerechnet werden, konnten einen Sitz gewinnen.
Trotz weitreichender Unzufriedenheit in der Bevölkerung vor allem mit der Wirtschaftspolitik hatten die oppositionellen Reformer noch keine Chance, die Mehrheit im Parlament zu gewinnen. Ein Großteil ihrer Bewerber, darunter fast alle prominenten Namen sowie ehemalige Minister, wurden von der Kandidatenliste gestrichen.
Auch die zugelassenen 110 Oppositionskandidaten wurden wohl nicht fair behandelt. Auffällig ist, dass in Teheran die Reformer nur einen der 30 Sitze gewinnen konnten, obwohl die iranische Hauptstadt als Hochburg des Oppositionsbündnisses gilt.
Die Gewissenheit, keinen Machtverlust fürchten zu müssen, führte allerdings bei den Konservativen auch dazu, dass die Einheit nach außen zerbröckelte. Es formierte sich ein Lager der "Prinzipalisten", die wie Ahmadinedschad die Prinzipien der islamischen Revolution hoch halten, und auf der anderen Seite eine eher pragmatische Gruppe, als deren Galionsfigur der ehemalige Atomunterhändler Ali Laridschani gilt. Die politische Lanschaft ist nicht ganz einfach zu überschauen. In beiden Lagern haben sich unterschiedliche Gruppen zusammengefunden - mit personellen Überschneidungen.
In wochenlangen Verhandlungen hat Ali Laridschani die Mehrheit des konservativen Blocks hinter sich scharen können und wurde am 1. Juni zum neuen Parlamentspräsidenten gewählt. In einer Stichwahl unterlag ihm der bisherige Amtsinhaber, Gholam Ali Hadad Adel, der als Getreuer Ahmadinedschads gilt. Laridschani hegt gegenüber dem Präsidenten, dem er bei den letzten Wahlen 2005 unterlag, eine persönliche Abneigung, was in der iranischen Politik ein nicht unwichtiger Faktor ist. Ahmadinedschad hatte ihn als Verhandlungsführer und Strategen in den Verhandlungen mit dem Westen über den Atomkonflikt zur Seite gedrängt. Frustriert hatte Laridschani mehrfach seinen Rücktritt angeboten und schließlich wegen Meinungsverscheidenheiten mit Ahmadinedschad das Amt im Herbst 2007 quittiert.
Beide Männer unterscheiden sich in ihren prinzipiellen Positionen nicht wesentlich. Beide fühlen sich den Prinzipien der islamischen Revolution verpflichtet. Laridschani galt lange Zeit als Ziehkind von Religionsführer Ali Khomeini. Laridschani ist aber kein religiöser Eiferer, sondern ein gewiefter Taktiker, unauffällig in seinem Auftreten und kalkuliert in seinen Äußerungen.
Er konzentriert sich nun darauf, das Gewicht des Parlaments gegenüber dem Präsidenten zu stärken. In seiner ersten Rede als neuer Sprecher drohte er denn gleich an, wenn der Westen seine "Lügen" über Irans nukleare Absichten nicht einstellen werde, werde das Parlament die Zusammenarbeit mit der Internationalen Atomenergiebehörde aufkündigen.
Ob das Parlament tatsächlich ein größeres Gewicht in der Außenpolitik bekommt, ist zweifelhaft. Insgesamt hat die Majlis im komplizierten Machtgefüge des Irans nur eine schwache Position. Alle verabschiedeten Gesetze werden vom Wächterrat, der von Religionsführer Khomeini dirigiert wird, genehmigt. Die Außen- wie die Atompolitik sind Domänen, über die der Nationale Sicherheitsrat des Landes wacht. Stärker im Vordergrund werden die wirtschaftlichen Probleme des Landes stehen. Auch den Konservativen ist klar, dass die Legitimität des Systems von der Zustimmung der Bürger abhängt. Auf diesem Feld hat Laridschani bislang keine einschlägigen Erfahrungen, aber es wird ihm zugetraut, dass er zumindest Ahmadinedschad die Stirn bieten kann.
Zudem ist das Amt des Parlamentssprechers keine schlechte Ausgangsposition für weiterreichende politische Pläne. Laridschani wird als Parlamentspräsident künftig stärker im Mittelpunkt der Öffentlichkeit stehen und an Profil gewinnen. Es wird ihm nachgesagt, er wolle im kommenden Jahr erneut gegen Ahmadine-dschad antreten. Eine gute Ausgangsposition, das nächste Mal die Nase vorn zu haben, hat er sich jetzt geschaffen.