Gesellschaft
Ein Plädoyer für die Bildungselite
Im Herbst des vergangenen Jahres war es auf einmal schick, Elite zu sein: Jene Universitäten, die mit dem Prädikat "besonders wertvoll" und entsprechenden Fördergeldern ausgestattet wurden, stimmten Jubel an. Sonst unter vorgehaltener Hand geführte Auserwählten-Debatten durfte man nun im historisch bedingt eliten-skeptischen Deutschland in aller Öffentlichkeit führen.
Bücher, die sich dieses Themas annahmen, ließen nicht lange auf sich warten. "Jede Gesellschaft hat ihre Eliten, ob sie will oder nicht", konstatiert Heike Schmoll gleich zu Beginn ihres Buchs. Das klingt zunächst geradezu fatalistisch. Fast wie: Jedes Land hat die Elite, die es verdient, auch wenn wir sie nicht wollen. Aber Schmoll meint es nicht so. Während etwa Julia Friedrichs in "Gestatten: Elite", einem Deutschlandstreifzug durch Erste-Sahne-Enklaven, Skepsis anmahnt, verfasste FAZ-Bildungsredakteurin Heike Schmoll ein Lied zum "Lob der Elite". Sie prangert die "Verramschung" des Elite-Begriffs hierzulande an, preist französische Kader-Schmieden, hält die Lektüre antiker Klassiker für die Grundvoraussetzung verantwortungsvollen Handelns.
Ihr Buch ist, um es kurz zu machen, ein Hohelied auf die Bildungselite. Unverhohlen verfasst in dem unbeirrbaren Glauben an humanistische Tugenden und gesellschaftliches Verantwortungsgefühl der Kaste der Auserwählten, als Grundlage einer funktionierenden Demokratie. Das Ganze ist, man wird den Verdacht nicht los, latent naiv. So ist Schmoll absurderweise davon überzeugt, "dass diese pauschale Ablehnung der Eliten einer Nivellierung jeglicher Differenz gleichkommt". Zu Recht weist sie zwar auf die Tendenz hin, "Prominenz mit Elite zu verwechseln", lässt aber ihrerseits nur Bildungselite gelten und scheint mithin die Existenz von gewachsenen Macht- und Geldeliten zu verkennen.
Mit Blick auf die in Deutschland fest zementierte Verknüpfung von Bildungsstand und gesellschaftlicher Schicht - sprich: Geld, und die belegte Undurchdringbarkeit der Klassen von unten nach oben - gilt Schmolls Text offenkundig eher einer fiktiven Elite der Gutmenschen. Mehr hehrer Gesellschaftsentwurf denn Reaktion auf gesellschaftliche Realität. Geradezu bezeichnend weist sie ausgerechnet auf ein Stipendiatenprogramm für junge Bürger mit Migrationshintergrund hin. Ein Armutszeugnis für eine Gesellschaft, in der nur so die Möglichkeit besteht, Teil jener gepriesenen Kaste zu werden. Wer will in so einem Land schon Elite sein.
Lob der Elite. Warum wir sie brauchen.
Verlag C.H. Beck, München 2008; 173 S., 17,90 ¤