ERNEUERBARE ENERGIEN
Gesetze sollen Anteil an der Stromversorgung bis 2020 auf 30 Prozent steigern
So ganz konnte man sich im Bundestag des Eindrucks nicht erwehren, Zeuge eines wirklich historischen Augenblicks zu sein. Da war die Rede von "Erfolgsgeschichten", "Weltmeistertiteln" und "historischen Weichenstellungen". Sigmar Gabriel (SPD), Bundesumweltminister, sprach sogar von einem "gewaltigen Schritt nach vorne", den Deutschland mit den am 6. Juni im Bundestag beschlossenen Gesetzen zum Klimaschutz gehe. Nur die Opposition mochte diese Freude nicht recht teilen. Ihnen sind die beschworenen "Meilensteine" von Regierung und Koalition nicht ausreichend.
Mit den beiden Gesetzen, dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und dem Erneuerbare-Energien-Wärme-Gesetz (EEWärmeG), hat der Bundestag - nach den beiden Gesetzen zur Kraft-Wärme-Kopplung und zum Messwesen (Seite 7) - am 6. Juni einen entscheidenden Teil des Klimapakets verabschiedet.
Dem EEG in der Ausschussfassung ( 16/8148, 16/8393, Beschlussempfehlung 16/9477) stimmten neben den beiden Koalitionsfraktionen auch die Linken zu, nur die Liberalen lehnten das Gesetz bei Enthaltung der Grünen ab. In namentlicher Abstimmung - auf Antrag der FDP-Fraktion - nahm der Bundestag die Vorlage mit 413 Ja- gegen 52 Nein-Stimmen an. 57 Abgeordnete enthielten sich ihrer Stimme. Zwei Entschließungsanträge von Grünen ( 16/9511) und Linken ( 16/9488) fanden keine Mehrheit. Ebenso lehnte das Bundestagsplenum weitere Anträge der Grünen ( 16/9429) und der FDP ( 16/5610, 167387) ab.
Die Grünen fordern vor allem, dass die Verpflichtung zum Einsatz erneuerbarer Energien für Neubauten auch bei Sanierungen und Umbauten von Heizungsanlagen in Altbauten gelte. Außerdem soll nach ihrer Meinung der Anteil regenerativer Energien an der Stromversorgung bis 2020 mindestens 43 Prozent betragen. Eine Einbeziehung von Altbauten ins Wärmegesetz fordern auch die Linken.
Das Wärme-Gesetz nahm der Bundestag mit den Stimmen der Koalition gegen die der Opposition an. Mit der Fortschreibung der im Jahr 2000 verabschiedeten ersten Version des EEG soll der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromversorgung bis zum Jahr 2020 auf 30 Prozent erhöht werden. Noch stammen nur 13 Prozent des Stroms aus Windkraft, Biomasse und Erdwärme.
Im Wärme-Gesetz werden unter anderem Eigentümer neuer Häuser, die nach 2008 fertiggestellt werden, dazu verpflichtet, "ihren Wärmbedarf anteilig aus erneuerbaren Energien zu decken", wie es im Gesetz heißt. Diese Pflicht wird finanziell gefördert.
Beide Gesetze sind für die Koalition allerdings bedeutend mehr als "nur" Klimaschutzmaßnahmen. Mit EEG und Wärmegesetz werden nach ihrer Ansicht Klimaschutz und Versorgungssicherheit mit wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischen Zielen verknüpft. 250.000 Arbeitsplätze seien in den vergangenen Jahren im Bereich der erneuerbaren Energien entstanden, betonte Ulrich Kleber (SPD) und stellte in Aussicht, dass es bis zum Jahr 2020 rund 500.000 werden könnten. Die Gesetze sorgten außerdem dafür, dass Strom und Wärme aus erneuerbaren Energien künftig preiswerter und nicht teurer würden. "Das Gesetz führt dazu, dass in einigen Jahren Strom aus der Fotovoltaikanlage vom Dach billiger ist, als der aus der Steckdose", sagte Kelber. Unionskollegin Maria Flachsbarth bezeichnete das EEG als reinstes "Mittelstandsförderungsprogramm". Kein vergleichbares Industrieland, lobte sie, habe ein ähnlich ambintioniertes und ausgestaltetes Programm.
Für Sigmar Gabriel leisten das EEG und das Wärmegesetz "einen riesigen Beitrag zum Klimaschutz und zur Energiesicherheit". "Wir helfen, Geld zu sparen, tun etwas für das Handwerk und schützen das Klima", fasste der Umweltminister die Vorteile der Gesetze aus Sicht der Bundesregierung zusammen. Der verstärkte Einsatz erneuerbarer Energie sei kein Geschäft, bei dem man sofort profitiere, sagte Gabriel, "aber wenn man Profit machen will, muss man auch erst investieren". Das geschehe jetzt, damit die kommenden Generationen davon etwas hätten. Derzeit, rechnete Gabriel vor, zahle jeder Bürger statistisch 3 Euro pro Monat für den Einsatz erneuerbarer Energien. In den kommenden Jahren werde dieser Betrag zwar auf durchschnittlich 5 Euro steigen, aber: "Für die Zukunft unserer Kinder und Enkel sind 3 oder 5 Euro eine verdammt günstige Angelegenheit."
Die Opposition wollte in diesen Jubelreigen nicht einstimmen. Zwar seien sich alle beim Ziel einig, den Anteil erneuerbarer Energien deutlich zu erhöhen, sagte der FDP-Umweltpolitiker Michael Kauch. Es müsse aber über die Instrumente gestritten werden. Die Entwürfe der Koalition jedenfalls seien zu teuer und wettbewerbsverzerrend, klagte Kauch. Es dürfe nicht verhindert werden, dass die erneuerbaren Energien "auch untereinander in Wettbewerb treten". Ziel der FDP sei es, Klimaschutz mit einer Steigerung der Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit zu verbinden. Die Grünen, die den Einsatz der Bundesregierung für Klimaschutz und erneuerbare Energien ausdrücklich begrüßten, kritisierten neben der Beschränkung des Wärme-Gesetzes auf Neubauten vor allem fehlende Nachhaltigkeit der Gesetze, so Hans-Josef Fell. Die Linken, die das EEG als "Erfolgsmodell" lobten, nannten das Wärme-Gesetz hingegen "wirkungslos". Das Ziel für erneuerbare Energien im Wärmebereich sei zu niedrig, betonte Hans-Kurt Hill.
Ob das EEG und das Wärme-Gesetz tatsächlich "historisch" sind, wird sich zeigen. Sicher ist: Sie sind ein wichtiger Schritt weg von der Energie- und Wärmversorgung aus fossilen Energieträgern.