Konstituierung des Bundestages ©
DBT
Konstituierung des Bundestages, die Wahl des
Präsidenten und seiner Stellvertreter sowie der
Schriftführer
Jeder neugewählte Bundestag ist in sich eigenständig,
ohne Verpflichtungen gegenüber dem alten Bundestag oder durch
den alten Bundestag (Diskontinuität). Nur in
Paragraph 1 der Geschäftsordnung scheint für einen
anfänglichen Augenblick, eine Art Kontinuität auf: der
neue Bundestag wird zu seiner ersten Sitzung vom Präsidenten
des alten Bundestages einberufen. Dieser Anknüpfung an seinen
Vorgänger könnte sich kein Bundestag, falls er dies je
wollte, entziehen, denn die Einberufung erfolgt, ehe der neue
Bundestag zusammentritt und die Fähigkeit erlangt, die bis
dahin geltende Geschäftsordnung zu ändern. Die
Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages
einschließlich ihrer Anlagen wird auf Antrag der meist aller
neu konstituierten Fraktionen vom Bundestag in seiner ersten
Sitzung in Kraft gesetzt, indem die Weitergeltung der
Geschäftsordnung der vergangenen Wahlperiode beschlossen
wird.
Nach dem Zusammentritt des neuen Bundestages führt das, an
Jahren älteste - oder wenn es dies ablehnt - das
nächstälteste Mitglied den Vorsitz und beruft nach einer
Sitte junge Abgeordnete zu vorläufigen Schriftführern.
Neben der traditionellen Rede des Alterspräsidenten ist der
Namensaufruf der Mitglieder des Bundestages und die Feststellung
der Beschlussfähigkeit die wichtigste Hinführung zur Wahl
des Bundestagspräsidenten, seiner Stellvertreter und der sie
hinfort unterstützenden Schriftführer.
Der Präsident und die Vizepräsidenten werden in geheimer
Wahl für die ganze Dauer der Wahlperiode gekürt.
Auf den
Präsidenten, die Vizepräsidenten
beziehungsweise auf das Präsidium als Kollegialorgan warten
nicht nur die Aufgaben des "Vorsitzes" im Parlament, sondern auch
die des Hausherrn und der obersten Dienstbehörde der
Bundestagsbeamten (und der Angestellten beim Bundestag). Der
Präsident ist auch zuständig für das Personal des
Wehrbeauftragten
des Bundestages (im Benehmen oder im Einvernehmen mit diesem).
Im Fall einer allgemeinen, Verhinderung wird der Präsident von
dem oder einem Vizepräsidenten aus der zweitgrößten
Fraktion vertreten.
Ein ungeschriebenes aber vielfach bewährtes Gesetz besagt, der
Kandidat der größten Fraktion sei zum Präsidenten
zu wählen. Dabei ist die Geschäftsordnung jedoch auf den
Fall vorbereitet, dass trotz dreimaligen Wahlganges - in den ersten
beiden Wahlgängen ist für die Wahl die absolute Mehrheit
der Stimmen, beim dritten Wahlgang (Stichwahl zwischen den
bestplatzierten Bewerbern) die einfache Mehrheit notwendig - kein
Erfolg zu erzielen ist: dann entscheidet das Los durch die Hand des
amtierenden Präsidenten. Das Los entscheidet auch über
die Rangfolge der Fraktionen in jenem seltenen Fall, dass zwei
Fraktionen dieselbe Zahl an Mitgliedern haben. So wird geregelt,
welche von zwei gleichstarken Fraktionen bei verschiedenen
Gelegenheiten das "erste Zugriffsrecht" hat.
Die Zahl der Vizepräsidenten ist in der Geschäftsordnung
nicht festgelegt, seit der 13. Wahlperiode jedoch steht jeder
Fraktion mindestens ein Vizepräsident zu. Der Präsident
und die Vizepräsidenten bilden das Präsidium des
Bundestages. Sollte das Parlament einmal weniger Fraktionen
aufweisen, als das Hohe Haus an den sich reihum abwechselnden
Sitzungspräsidenten benötigt, dann würde die
jeweilige Größe der Fraktionen darüber entscheiden,
wieviele Vizepräsidenten jede von ihnen stellen darf.
Das Prinzip der Größenverhältnisse der Fraktionen
(Proporzsystem) ist ein tragendes Element der Geschäftsordnung
und kommt bei der Wahl der
Schriftführer, bei der
Zusammensetzung des Ältestenrates, bei der
Besetzung der
Ausschüsse und bei
der Zuteilung der Ausschussvorsitze zur Geltung.
Aufgabe der Schriftführer, von denen bei jeder Plenarsitzung
je zwei an der Seite des Sitzungspräsidenten amtieren, ist es
vor allem, Schriftstücke vorzulegen, Rednerlisten zu
führen, Stimmzettel auszuzählen und die Korrektur der
Plenarprotokolle zu überwachen.
Der
Ältestenrat ist das
Verbindungsstück zwischen dem "unparteiischen"
Präsidenten mit seinen Stellvertretern einerseits und den
"parteiischen" Fraktionen andererseits; letztere entsenden 23 nach
dem Proporzsystem ausgewählte Mitglieder in den Rat. Die
Geschäftsordnung stattet dieses für die laufenden
Geschäfte zuständige Gremium mit viel Macht aus. Zwar
beruft der Präsident die Ratssitzungen ein, aber schon ein
Zwanzigstel der Abgeordneten kann die Einberufung durchsetzen. Der
Ältestenrat stellt den Voranschlag für den Haushaltsplan
des Bundestages auf, von dem der Haushaltsausschuss nur im Benehmen
mit ihm abweichen kann.