Öffentliche Anhörung des Rechtsausschusses
Überwiegend kritisch haben sich Sachverständige am Montag, dem 7 Mai 2007, bei einer öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses zu einem Gesetzentwurf der Regierungskoalition ( 16/4842) geäußert, der Zahlungen für Opfer der SED-Diktatur vorsieht. Betroffene sollen dann eine Entschädigung von 250 Euro erhalten, wenn sie wirtschaftlich Not leiden. Voraussetzung für die Zahlung ist außerdem, dass sie zu DDR-Zeiten mindestens sechs Monate in Haft waren.
Politisch Verfolgte nicht über Armut definieren
Michael Beleites, Sächsischer Landesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen aus Dresden, erklärte dazu, mit diesen Zahlungen würde Betroffenen eine "wichtige Hilfe" zuteil. Dennoch sei der von CDU/CSU und SPD vorgesehene Entwurf unbefriedigend. Der Sachverständige schlug unter anderem vor, die Zahlung einer Opferrente unabhängig von der sozialen Lage vorzunehmen. Sonst wäre die Zahlung kein Ausgleich für verfolgungsbedingte Schäden, sondern eine Versorgung für Bedürftige. Ehemals politisch Verfolgte, die wirtschaftliche Not litten, wollten nicht über ihre Armut definiert werden, sondern darüber, dass sie ohne eigene Schuld durch einen Unrechtsstaat bestraft wurden. Problematisch erscheine auch die Beschränkung auf Haftopfer. Eine monatliche Zuwendung sei nur sinnvoll als eine pauschale Zahlung, die auch Opfer der SED-Diktatur einbeziehe, die durch "Zersetzungsmaßnahmen" - also gezielte individuelle Schädigung - nachweisbar schwerwiegend geschädigt wurden.
Spaltung der Verfolgten
Johannes Rink, Landesvorsitzender für Sachsen-Anhalt des Bundes der Stalinistisch Verfolgten und der Vereinigung der Opfer des Stalinismus in Deutschland, erklärte, der von der Regierungskoalition vorgelegte Entwurf führe zu einer Spaltung der Verfolgten des SBZ/DDR-Regimes in zwei Klassen. Nur Häftlinge, die mehr als sechs Monate inhaftiert waren und sozial bedürftig seien, erhielten Entschädigung. "Zersetzungsopfer", Häftlinge, die weniger als sechs Monaten inhaftiert waren und Menschen mit einer gebrochenen Berufskarriere wie Zwangsausgesiedelte und Deportierte, die auch sozial bedürftig seien, würden hingegen keine Entschädigung erhalten.
Kritik an Nachweis für Bedürftigkeit
Der Vorsitzende der "Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft", Horst Schüler, nannte es "beschämend", dass die Opfer einer Menschen verachtenden Diktatur um ihre Würdigung kämpfen müssten. Der Sachverständige kritisierte ebenfalls, dass die Opfer der SED-Diktatur jedes halbe Jahr den Nachweis führen müssten, dass sie auf finanzielle Hilfe angewiesen seien. Dies sei nicht hinzunehmen.
Keine Würdigung des Widerstands gegen SED-Diktatur
Heike Schrade vom Thüringer Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit war ebenfalls der Meinung, dass die Einführung eines "Bedürftigkeitsklausel" in dem Gesetz eine Würdigung derer, die in der SBZ oder in der SED-Diktatur Widerstand geleistet hätten, vermissen ließe. Die Expertin brachte den Vorschlag der "Vereinigung der Opfer des Stalinismus" ins Spiel. Dieser sehe vor, eine vom Einkommen oder vom Vermögen unabhängigen Sockelbetrag von 100 Euro zu zahlen. Dazu sei ein weiterer Betrag von 150 Euro für die SED-Opfer vorzusehen, die sich in schwieriger sozialer Lage befänden.
Ehrende pauschale Zahlung
Die Thüringer Landesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Hildigung Neubert, war gleicher Meinung. Der Koalitionsentwurf werde insgesamt sein politisches Ziel verfehlen, die Forderung der Verbände der Verfolgten des Kommunismus nach einer ehrenden pauschalen Zahlung zu befriedigen. Unter anderem sei die alle sechs Monate vorgesehene Einkommensprüfung ein "bürokratisches Monstrum". Nach ihren Berechnungen würde die Opferrente den Betrag von 72,1 Millionen Euro nicht überschreiten.
Empörung und Wut von ehemaligen Stasi-Opfern
Reinhard Schult, Mitarbeiter bei dem Landesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen im Land Berlin, sagte, er begegne zunehmend der "geballten Empörung und Wut" von ehemaligen Stasi-Opfern. Auch er plädiere für eine Leistung unabhängig von sozialer Bedürftigkeit. Hubertus Knabe, Direktor der Gedenkstätte Hohenschönhausen, plädierte ebenfalls für die Zahlung eines monatlichen Betrages unabhängig von der sozialen Bedürftigkeit an alle Personen, die aus politischen Gründen in Haft waren oder anderweitig verfolgt wurden.