Bundestag beschließt neue Gesetze
In der letzten Sitzungswoche des Jahres, vom 12. bis 14. Dezember 2007, votierten die Abgeordneten in einer namentlichen Abstimmung für das Arbeitnehmer-Entsendegesetz zum Mindestlohn für Briefdienste. Für den Gesetzentwurf sprachen sich 466 Abgeordnete aus, 70 stimmten dagegen und 16 Abgeordnete enthielten sich ihrer Stimme (Ergebnisliste). Am Mittwoch und Donnerstag debattierte das Parlament in Aktuellen Stunden die Themen Managergehalte und Risiken von Atomkraftwerken. Der Bundestag stimmte zudem für ein Gesetz zur Anfechtung der Vaterschaft.
Zu Beginn der Plenarsitzung am Mittwoch, dem 12. Dezember 2007 gab Bundeskanzlerin Angela Merkel eine Regierungserklärung zum Europäischen Rat und zum EU-Reformvertrag ab. Sie warb dafür, dass der Vertrag bis Mai 2008 ratifiziert werde. Anfang 2009 soll er in Kraft treten, vorausgesetzt, die 27 Mitgliedstaaten haben ihn bis dahin unterzeichnet. Die EU werde damit demokratischer, sagte die Kanzlerin. Es dürfe aber nicht zu einer "schleichenden Ausweitung" von Initiativen der EU auf Gebiete kommen, für die sie nicht zuständig ist.
Danach befasste sich das Parlament in einer von der Linksfraktion beantragten Aktuellen Stunde mit der Höhe von Managergehältern in Deutschland. Sowohl Vertreter der Opposition als auch der Großen Koalition bezeichneten die Einkommen von Managern als nicht angemessen. Abgeordnete der SPD forderten eine Konkretisierung des Begriffs des "Angemessenheit der Vorstandsvergütung" im Aktiengesetz.
Die FDP wandte sich generell gegen Eingriffe der Politik in diesem Bereich.
Am Donnerstag, dem 13. Dezember 2007, stellte die Enquete-Kommission "Kultur in Deutschland" ihren Schlussbericht ( 16/7000) vor. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) hob zu Beginn der Plenarsitzung den hohen Stellenwert der Kultur für die Gesellschaft hervor. In dem 500seitigen Bericht formulieren Kulturpolitiker und Sachverständige über 400 Empfehlungen für politisches Handeln. So empfiehlt die Kommission beispielsweise allgemeingültige Standards für deutsche Bibliotheken sowie deren Fixierung in einem Bibliotheksgesetz. Ebenso wird der Aufbau einer Bundeszentrale für kulturelle Bildung befürwortet. Außerdem solle die Künstlersozialkasse als "wichtiges Element der sozialen und kulturellen Künstlerförderung" weiterhin gestärkt werden.
Anschließend beriet das Parlament über Gesetzentwürfe zur Agrarpolitik. In ihrem Antrag "Unsere Verantwortung für die ländlichen Räume" ( 16/5956) forderten CDU/CSU und SPD eine nationale Strategie zur Förderung und Entwicklung der ländlichen Räume. Außerdem wurde über das Fleischgesetz debattiert ( 16/6964, 16/7503). Der Entwurf soll Schlachtkörper neu klassifizieren und veraltete Vorgaben des Handels mit Schlachttieren auf Viehmärkten streichen.
In einer Aktuellen Stunde diskutierten die Abgeordneten über mögliche Krebsrisiken in der Umgebung von Atommeilern. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat dazu eine Aktuelle Stunde beantragt. Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) hatte eine Studie vorgelegt, wonach die Häufigkeit von Krebserkrankungen bei Kindern unter fünf Jahren mit der Nähe zu Standorten von Atomkraftwerken zunimmt. Der forschungspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Hans-Josef Fell, verlangte von den Reaktorbetreibern den Nachweis, dass die Erkrankungen nicht mit dem laufenden Betrieb zusammenhingen. Sollte dies nicht gelingen, sollten die Atommeiler stillgelegt werden, forderte Fell.
Der Bundestag beschloss das 37-Punkte-Programm ( 16/4604) der Koalition für verbesserten Kinderschutz. Darin fordern sie unter anderem ein "Frühwarnsystem" zum Schutz von Kindern und zur Unterstützung von "Risikofamilien". Mit den neuen Maßnahmen soll Gerichten künftig die Möglichkeit eingeräumt werden, bereits bei Verdacht einer Gefährdung für das Kind die Eltern zu einem Gespräch laden zu können. Bundeskanzlerin Merkel berät das Thema Kinderschutz am kommenden Mittwoch mit den Ministerpräsidenten der Länder sowie Mitgliedern ihres Kabinetts.
Danach stand der Jahresbericht des Wehrbeauftragten Reinhold Robbe für 2006 ( 16/4700) auf der Tagesordnung. Der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages geht von Amts wegen Missständen innerhalb der Bundeswehr nach. Der 48. Jahresbericht ist sein zweiter Bericht. Den überwiegenden Teil des Mängelberichts bilden Klagen aus dem Bereich Menschenführung/Wehrrecht/Soldatische Ordnung (36 %), gefolgt von Personalangelegenheiten bei Berufs- und Zeitsoldaten (29 %).
Die Abgeordneten debattierten über die Krise des von Russland aufgekündigten Vertrages über konventionelle Streitkräfte in Europa. Das Außenministerium in Moskau hatte mitgeteilt, dass man den Informationsaustausch gestoppt habe und keine ausländischen Inspekteure mehr zu lasse, aber offen sei für einen Dialog. Der KSE-Vertrag begrenzt die Zahl von Panzern, Flugzeugen und anderen konventionellen Waffen in Europa.
Der Bundestag verabschiedete außerdem ein Gesetz ( 16/3291), das öffentlichen Stellen die Anfechtung einer Vaterschaft ermöglicht. Die Neuregelung soll "Scheinvaterschaften" verhindern. Eine Statistik von 2003/04 besagt, dass fast 1.700 unverheirateten ausländischen Müttern eines deutschen Kindes, denen die Abschiebung drohte, aufgrund der Vaterschaftsanerkennung ein Aufenthaltstitel erteilt worden sei. Viele böten Obdachlosen oder Sozialhilfeempfängern Geld dafür, dass sie sich als Vater ihres Kindes ausgeben.
Anschließend votierte das Parlament für einen Antrag der Koalition zum Berliner Schloss (16/7488). Die Bundesregierung soll prüfen, ob zur Mitfinanzierung des 552 Millionen Euro teuren Projekts "die Ausprägung einer Sondermünze" oder "die Genehmigung einer Schlosslotterie" beitragen kann. Der Neubau ist das zweitgrößte Projekt des Bundes in Berlin.
Am Freitag, dem 14. Dezember 2007, votierten die Parlamentarier über einen Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes ( 16/6735). Damit soll ein Mindestlohn für Briefdienste eingeführt werden. Durch die Aufnahme dieser Branche in das Entsendegesetz können Tarifabschlüsse für allgemeinverbindlich erklärt werden. Bislang sind die Bau- und die Gebäudereinigerbranche in das Entsendegesetz einbezogen. In der Begründung heißt es, im Bereich der Postdienstleistungen bestehe im Zuge des zum 1. Januar 2008 auslaufenden Postmonopols "kurzfristig Handlungsbedarf".
Anschließend debattierte das Plenum einen Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE. zum Arbeitnehmerüberlassungsgesetz ( 16/4805). Die Fraktion forderte unter anderem, dass für Leiharbeiter dieselben Konditionen gelten müssen wie für Festangestellte: "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“. Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) forderte zudem einen Mindestlohn für Zeitarbeiter. Fast zehn Prozent der Leiharbeiter müssten zusätzlich Arbeitslosengeld II beantragten. Tochtergesellschaften würden einzig zu dem Zweck ausgelagert, um Leiharbeiter anzustellen. Dieser Missbrauch müsse verhindert werden.
Am Freitagmittag beschäftigten sich die Abgeordneten mit dem Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD ( 16/7460) zur Dauer des Bezugs von Arbeitslosengeld für ältere Arbeitsnehmer. Die FDP-Fraktion hat hierzu einen Antrag ( 16/7003) eingebracht: "Arbeit statt Frühverrentung fördern". Darin fordern die Abgeordneten, dass bei Erwerbsminderungsrenten, die vor dem 63. Lebensjahr ausgezahlt werden, Abschläge in Höhe von 0,3 Prozent je vorzeitig in Anspruch genommenen Monat berechnet werden.
Die FDP-Fraktion will Anreize zur Frühverrentung aus dem Sozialgesetzbuch streichen. Über einen weiteren Antrag der Fraktion DIE LINKE. ( 16/6933) wurde namentlich abgestimmt.