Ein Tag im Wahlkampf mit Dr. Christian Burholt (CDU)
Um 13 Uhr hat die „Interessengemeinschaft Gendarmenmarkt“ Burholt hierhin zum „Business-Lunch“ geladen. Rund 30 Mitglieder, größtenteils Gastronomen und Hoteliers, sind gekommen, um bei Prosecco und Blätterteighäppchen den neuen Kandidaten kennenzulernen – und natürlich auch, um über Politik zu sprechen: So wünscht man sich mehr Veranstaltungen, die Gäste in die Restaurants und Hotels am Gendarmenmarkt bringen sollen. Außerdem weniger Bürokratie – und einen Tourismusbeauftragten beim Wirtschaftssenator, wie eines der Mitglieder es später formulieren wird.
Doch vorerst steht man noch etwas steif im Halbkreis an Stehtischen, während das Hauptgericht auf Warmhalteplatten dampft und Burholt Schweißperlen auf die Stirn treten. Trotz der Hitze müht er sich, warm zu werden mit der Runde. Zum Glück hat er Verstärkung mitgebracht: Den in tourismuspolitischen Fragen versierten Ernst Brähmig, seit bald 20 Jahren für die CDU im Bundestag – und genauso lange Mitglied im Tourismusausschuss und damit ein „Fossil“, wie dieser sich bezeichnet. Brähmig hat eine klare Meinung, woran es in der Berliner Wirtschafts- und Tourismuspolitik hapert. Und die sagt er auch. Burholt nickt dazu.
Er nickt überhaupt viel an diesem Tag. Das mag „jung und noch etwas unerfahren“ wirken, wie ein Beobachter bemerkt, doch Burholt geht es gerade darum zuzuhören. Er will sich ein eigenes Bild machen, bevor er vorschnell Lösungen präsentiert. Brähmig jedenfalls ist voll des Lobes für den jungen Kollegen: „Der ist engagiert, bodenständig, verspricht nix, was er nicht halten kann.“ Dass sich Burholt zum ersten Mal für ein Mandat bewirbt, ist aus Brähmigs Sicht ein Vorteil: „Als Seiteneinsteiger ist er noch nicht betriebsblind“.
Ein Seiteneinsteiger ist Burholt allerdings nur bedingt: Zwar arbeitet der promovierte Jurist als Wirtschaftsanwalt für eine internationale Kanzlei am Potsdamer Platz, doch auch am Platz der Republik, der Adresse des Bundestages, hat er schon gearbeitet: Für den früheren Abgeordneten Hubert Deitert (CDU) war Burholt schon während seines Studiums in Bonn, seit 1999 dann auch in Berlin „Mädchen für alles“: Büroorganisator, wissenschaftlicher Mitarbeiter, Redenschreiber. Den Job, für den er sich nun als Abgeordneter bewirbt, kennt er also gut. Zudem ist Burholt seit Jahren politisch aktiv: Seit 2007 als Vorsitzender der CDU in Tiergarten, wo er zusammen mit seiner Frau und zwei kleinen Töchtern lebt. Darüber hinaus als Vorstandsmitglied im Kreisverband Berlin-Mitte. Im September 2008 wurde Burholt dort als Bundestagskandidat nominiert.
Jetzt, rund ein Jahr später, ist der Bundestagswahlkampf in die heiße Phase getreten. Für Burholt bedeutet das einen übervollen Terminkalender: Mehrere Termine täglich, Schulbesuche, Podiumsdiskussionen, „Canvassing“ vor U-Bahnhöfen oder Supermärkten, wie Wahlkampfstrategen das Werben um Wählerstimmen auf neudeutsch nennen. Burholt hat dafür extra seinen Jahresurlaub genommen. „Ich weiß nicht, wie das sonst gehen würde“, sagt er. Zwar unterstützt ihn die Kreisgeschäftsstelle, doch eine Sekretärin hat Burholt nicht: Termine oder Medienanfragen koordiniert er selbst zwischendurch via Blackberry.
„Zum Glück gibt es aber Herrn Schröter“, seufzt Burholt und meint damit seinen Praktikanten, einen Politikstudenten, der über den Wahlkampf an der Basis seine Abschlussarbeit schreiben will. Als Burholts Adlatus beantwortet Dominik Schröter E-Mails, recherchiert für Redemanuskripte - oder fungiert als Chauffeur: Gerade ist er aus dem Restaurant geeilt, um den dunklen Kombi mit CDU-Aufschrift vor dem Restaurant zu parken, damit Burholt schneller von hier aus zum nächsten Termin starten kann.
Fast 15 Uhr ist es inzwischen geworden. Nach einer Verabschiedungsrunde im Restaurant, bei der er reichlich Visitenkarten verteilt, lässt sich Burholt auf die Rückbank fallen. „Was für eine Hitze“ stöhnt er, „aber der Termin ist doch gut gelaufen!“ Praktikant Schröter steuert den Wagen derweil von Mitte nach Moabit. Es sind nur wenige Kilometer, aber zwischen den Stadtteilen liegen Welten: Hier das Regierungsviertel, mit repräsentativen Bauten und feinen Restaurants, da ein Kiez, in dem Arbeitslosigkeit und soziale Spannungen wachsen.
Der Verein „Moabiter Ratschlag“ betreibt in diesem Viertel einen Schulgarten. Deutsche Kinder kommen ebenso hierher wie Kinder mit Migrationshintergrund, um in den hohen Bäumen zu klettern oder an einem Ferienkurs teilzunehmen. Doch das soziale Projekt ist von Kürzungen betroffen. Ab 2010 will der Senat einen Großteil der Mittel einsparen. Entsprechend aufgebracht sind die vier Mitarbeiter, die umringt von Kindern zwischen Tomatenpflanzen und Sonnenblumen auf den CDU-Politiker warten. Sie wollen, dass er hilft – irgendwie. Burholt ist das bewusst.
Aber er weiß er auch, dass er nicht viel ausrichten kann, auch wenn er in den Bundestag gewählt würde. Der Garten ist Sache des Landes, nicht des Bundes. Das sagt Burholt auch offen. So kann er nur zuhören, nicken, nachfragen. Je mehr Burholt zu hören bekommt, umso betroffener wirkt er: „Das ist wirklich ein Skandal“, entfährt es ihm. „Da fordert man mehr Bildung, mehr Integration - und dann kürzt man den Projekten die Mittel, so dass sie vor dem Aus stehen.“ Als ihn ein Junge an der Hose zupft und fragt „Willst du den Garten zumachen oder retten?“, sagt Burholz mit ernstem Blick durch die randlose Brille: „Ich würde ihn gern offenhalten. Mal sehen, was ich machen kann.“
Gegen 17 Uhr macht sich Burholt wieder auf den Weg; in einer Stunde wird er zum Canvassing am CDU-Stand im Wedding erwartet. Doch der Schulgarten lässt ihn nicht los: Schröter steuert gerade den Wagen am Gebäudekomplex der Pharmafirma Bayer-Schering vorbei, als Burholt eine Idee kommt, die er gleich als Memo auf seinem Blackberry speichert: „Vielleicht wäre es ja für den Betriebskindergarten von Bayer interessant, eine Kooperation mit dem Schulgarten einzugehen? Mal nachfragen.“
Fünf Minuten später hat Schröter das Auto geparkt und holt das mitgebrachte Infomaterial aus dem Kofferraum. Burholt klemmt sich zwei Tüten mit Flyern unter die Arme und geht in Richtung U-Bahnhof, wo seine freiwilligen Helfer bereits zwei orangefarbene Sonnenschirme und einen Tisch aufgestellt haben. Das hat etwas von Self-made-Wahlkampf, aber Burholt nimmt es gelassen: „Was uns an finanziellen Mitteln fehlt, machen wir durch Engagement wett.“
18 Uhr. Kaum dass er seine Tüten abgestellt hat, geht Burholt in die Offensive und bietet einer jüngeren Frau seinen Kandidatenflyer an: „Guten Tag, meine Name ist Burholt, darf ich Ihnen das hier anbieten?" Die Frau möchte lieber ein Feuerzeug. Ein Gespräch entwickelt sich nur schleppend. „Nicht schlimm“, meint Burholt. „Wichtig ist, dass die Menschen sehen, dass wir hier sind.“
Leicht hat er es nicht: Wedding, traditionell ein Arbeiterbezirk, ist auch heute nicht gerade das, was man als Stammland der CDU bezeichnen könnte. Die meisten ignorieren die Wahlkämpfer, gucken weg oder laufen unbeirrt weiter. Nur selten bleibt jemand stehen – und wenn, dann oft nur, um dem eigenen Ärger Luft zu machen. Arbeitslosigkeit, Wirtschaftskrise, Hartz IV – dazu muss Burholt immer wieder Stellung nehmen. Manchmal schlägt ihm sogar offene Ablehnung entgegen.
18.30 Uhr. „Ach, geh doch nach Hause“, krakeelt plötzlich ein Mann in Lederjacke, eine Bierflasche in der Hand. Burholt wünscht ihm trotzdem „einen schönen Abend“. Entmutigen lässt er sich von solchen Angriffen nicht. Er glaubt an seine Chance, nach dem 27. September in den Bundestag einziehen zu können, auch wenn frühere CDU-Kandidaten im Wahlkreis wenig erfolgreich waren. „Ich habe den Bundestrend im Rücken“, sagt Burholt und greift nach einem Stapel Flyer. Die Berliner CDU sei im Aufwind. Den will er nutzen.