Berlin: (hib/KOS) Mit Entschiedenheit widersprach der bis 1996 amtierende BND-Präsident Konrad Porzner dem in internen Pullacher Unterlagen niedergelegten Vermerk, er habe im November 1995 die Wiederaufnahme der 1994 eingestellten Observation des Publizisten Erich Schmidt-Eenboom angeordnet. Porzner sagte am Donnerstag vor dem Untersuchungsausschuss zum Auftakt der Zeugenvernehmungen: "Daran ist kein Wort wahr, diesen Schuh ziehe ich mir nicht an." Die 1993 gestartete und mit Unterbrechungen bis 2003 währende Ausforschung Schmidt-Eenbooms ist der gravierendste Fall unter den Bespitzelungsaktionen des BND gegen mehrere Journalisten, mit denen sich derzeit das parlamentarische Gremium befasst. Die Ausspähung von Medienschaffenden hatte der frühere Bundesrichter Gerhard Schäfer in einem im Mai 2006 veröffentlichten Bericht für das Parlamentarische Kontrollgremium (PKG) als teilweise rechtswidrig kritisiert. In dieser PKG-Expertise war auch der interne BND-Vermerk über die angeblich von Porzner verfügte Wiederaufnahme der Observation Schmidt-Eenbooms erwähnt worden.
Der Ausschussvorsitzende Siegfried Kauder (CDU) kommentierte die Aussage Porzners mit den Worten: "Ihr Bericht hört sich an wie aus dem Tollhaus." Offenbar sei Schmidt-Eenboms Ausspähung "hinter Ihrem Rücken erfolgt", hielt der CSU-Parlamentarier Stephan Mayer dem Ex-Chef des BND entgegen. Der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele sah in dessen Ausführungen eine "echte Sensation." Norman Paech (Die Linke) meinte, die bisherige Vorstellung zu den Vorgängen um Schmidt-Eenboom werde "auf den Kopf gestellt". Ströbele verwies darauf, dass der in den Neunzigern im Kanzleramt amtierende Staatsminister Bernd Schmidbauer und der damals für die Eigensicherung des BND zuständige Abteilungsleiter Volker Foertsch vor dem Ausschuss erklärte hätten, Porzner sei für die Fortdauer der Observation Schmidt-Eenbooms verantwortlich gewesen. Auch für SPD-Obmann Michael Hartmanns ergibt sich angesichts der Widersprüche in den Zeugenaussagen eine "neue Sachlage."
Porzner erklärte, nach der Publikation eines auch auf Pullacher Quellen beruhenden kritischen Buchs Schmidt-Eenbooms über den BND zur Aufdeckung dieser internen Lecks im Herbst 1993 nicht nur Untersuchungen innerhalb des Geheimdiensts, sondern auch die Observation des Autors angeordnet zu haben. Da diese - unter dem Decknamen "Emporio" laufende - Aktion erfolglos geblieben sei, habe er schon nach wenigen Monaten deren Stopp verfügt. Der Zeuge bestritt energisch, bei einer Sitzung im November 1995 die Wiederaufnahme der Maßnahme angewiesen zu haben. Er könne es sich nicht erklären und finde es "sonderbar", dass zwei Monate später der Geheimschutzbeauftragte des BND einen entsprechenden Vermerk über dieses Treffen angefertigt habe. Hätte er schon während seiner Amtszeit und nicht erst durch den Schäfer-Bericht von diesem Vermerk erfahren, "dann hätte ich die Staatsanwaltschaft eingeschaltet", so Porzner. Aus Sicht Ströbeles befinden sich in den BND-Akten möglicherweise "schriftliche Lügen".
Der FDP-Abgeordnete Hellmut Königshaus fragte, ob vielleicht Schmidbauer aus dem Kanzleramt am Präsidenten vorbei über Foertsch die Fortsetzung von "Emporio" angeordnet habe. Damals habe er einen solchen Verdacht nicht gehegt, antwortete der Zeuge. An der Sitzung im November 1995 hätten auch Schmidbauer und Foertsch teilgenommen.
Porzner sagte, über den Umfang und die Intensität der von Foertsch mit zahlreichen Journalisten gepflegten Kontakte nicht unterrichtet gewesen zu sein. Erst später habe er erfahren, was Foertsch "so alles getrieben hat." Er habe nicht vermutet, so Porzner, "dass Mitarbeiter Grenzen überschreiten."
Für den Nachmittag wurde im Ausschuss der Auftritt von Innen-Staatssekretär August Hanning erwartet, der von 1998 bis 2005 Präsident in Pullach war.
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