Berlin: (hib/SKE) Eine Gesetzesänderung hinsichtlich der Frage von Spätabtreibungen bleibt unter Experten weiter umstritten. Ein Großteil der Sachverständigen sprach sich am Montagnachmittag im Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend für eine verbesserte Beratung von Frauen und Familien nach einer Pränataldiagnostik aus. Keine Einigkeit bestand aber darüber, ob eine Änderung des Schwangerschaftkonfliktgesetzes dafür notwendig sei.
Sybill Schulz, Geschäftsführerin des Familienplanungszentrums "Balance" in Berlin, betonte, eine Änderung des Schwangerschaftkonfliktgesetzes werde das Leben behinderter Menschen nicht schützen. Eine dreitägige Wartezeit zwischen Beratung und Indikationsstellung, wie es sowohl in den Gesetzentwürfen ( 16/11106, 16/11347) der Gruppen um Johannes Singhammer (CSU) und Kerstin Griese (SPD) als auch in dem Entwurf ( 16/11330) der Abgeordneten um Ina Lenke (FDP) angestrebt wird, werde nichts an der Situation ändern, dass sich Frauen für eine Spätabtreibung entschieden, wenn bei ihrem Kind eine Behinderung diagnostiziert werde. Die Vorsitzende von Pro Familia, Gisela Notz, wandte sich "entschieden gegen jede Verschärfung des Gesetzes". Die Weitergabe medizinischer und persönlicher Daten für eine ausgeweitete Statistik über Spätabbrüche berge ihrer Meinung nach die Gefahr der Verletzung des Datenschutzes. In den Gesetzentwürfen der Gruppen um Singhammer und Griese wird unter anderem gefordert, der Arzt müsse seine Beratung dokumentieren und diese Dokumente "der zuständigen Behörde auf deren Verlangen zur Einsicht und Auswertung" vorlegen. Notz sagte, Ärzte, die diese "staatliche Überwachung" vermeiden wollten, würden sich eventuell in Zukunft weigern, eine medizinische Indikation festzustellen. Das wiederum hätte eine Benachteiligung der Schwangeren zur Folge. Notz plädierte jedoch für eine ausgedehntere Beratung, auch vor einer Pränataldiagnostik, um Frauen besser über die Untersuchungen und mögliche Resultate aufzuklären. Von einer "zynischen Verschlimmbesserung" sprach Christian Albring, Vorsitzender des Berufsverbands der
Frauenärzte, mit Blick auf die Forderung, die Dokumentationspflicht der Ärzte auszuweiten. Albring zufolge wird damit die ärztliche Schweigepflicht aufgeweicht. Diese sei jedoch Voraussetzung für eine vertrauensvolle Beratung.
Professor Jeanne Nicklas-Faust, stellvertretende Vorsitzende der Bundesvereinigung Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung, sprach sich für eine dreitägige Bedenkzeit aus. Sie sagte, Pränataldiagnostik sei für spezielle Schwangerschaften eingeführt worden. Heute jedoch sei eine solche Diagnostik der Normalfall. Der Anspruch der Eltern, mittels der Untersuchungen lediglich festzustellen, dass das Kind tatsächlich gesund ist, sei geblieben. Bei einem Befund, der auf eine Behinderung des Kindes hindeute, "fallen sie meist aus allen Wolken", sagte Nicklas-Faust. Bisher werde eine psychosoziale Beratung "nur in Einzelfällen" wahrgenommen. Professor Gunnar Duttge von der Universität Göttingen sprach sich ebenfalls für eine gesetzliche Änderung aus. Das Selbstbestimmungsrecht der Frau werde nicht angetastet. Eine Verbesserung der Schwangerschaftsberatung könne nicht allein durch eine Änderung der Mutterschaftsrichtlinien beziehungsweise des Mutterpasses erreicht werden. Eine solche Änderung wird in den Anträgen ( 16/11342, 16/11377) der Gruppen um Christel Humme (SPD) und Kirsten Tackmann (Die Linke) vorgeschlagen. Laut Duttge gelten die Mutterschaftsrichtlinien nur für Kassenärzte, ein Teil der Patienten werde so unter Umständen nicht erreicht. Professor Hermann Hepp von der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe sowie Professor Heribert Kentenich, Mitglied des wissenschaftlichen Beirats der Bundesärztekammer, sprachen sich sowohl für die Einführung einer dreitägigen Bedenkzeit als auch für eine gesetzlich geregelte ausführliche Beratung und eine verbesserte Statistik über Spätabtreibungen aus. "Heute gibt es eine teilweise unzumutbare Situation für die behandelnden Ärzte und die Eltern", sagte Hepp. Kentenich betonte, die Drei-Tages-Frist habe sich schon bei den Konflikten innerhalb der ersten zwölf Schwangerschaftswochen bewährt. Zudem sei eine Beratung der Schwangeren durch psychosoziale Beratungsstellen sinnvoll, denn "wir sind nicht die Halbgötter in Weiß".
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