Berlin: (hib/JOH) Die Afghanistan-Strategie der Bundesregierung hat am Mittwochmorgen im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Kritik hervorgerufen. Die Abgeordneten forderten angesichts der sich verschlechternden sicherheitspolitischen Lage und der schwierigen Nahrungsmittelsituation vor allem eine bessere Koordination innerhalb der Bundesregierung, damit zur Verfügung gestellte Hilfen künftig in stärkerem Maße der Bevölkerung zugute kommen.
Es sei viel erreicht worden in Afghanistan, betonte die CDU/CSU-Fraktion. Dennoch gebe es noch immer massive Probleme bei der Bekämpfung der Korruption und des Drogenhandels und bei der Versorgung der Bevölkerung insbesondere auf dem Land. "Es ist wichtig, dass wir gegenüber der afghanischen Regierung als Einheit auftreten", mahnte die Unionsfraktion. "Die Abstimmung zwischen dem Auswärtigen Amt und dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) muss funktionieren." Auch SPD, FDP und Grüne bemängelten, die Koordination der deutschen Hilfe vor Ort sei bisher im Hinblick auf den zivilen Aufbau nicht zufriedenstellend. Die FDP wies darauf hin, dass bereits ausführungsreife Projekte, etwa der Bau von Staudämmen und Stromleitungen, bisher nicht umgesetzt worden seien. Nach Auffassung der Grünen bleibe zudem weiterhin unklar, wie die Bundesregierung auf die angekündigte Neuausrichtung der US-amerikanischen Strategie und die sich allgemein verschlechternden Lage in Afghanistan reagieren wolle. Sie forderten die deutsche Regierung zu einem "tatsächlichen Strategiewechsel" auf, wie ihn die USA bereits vollzogen hätten. Ein solcher sei bisher nicht erkennbar.
Die Parlamentarische Staatssekretärin im BMZ, Karin Kortmann (SPD), hatte den Ausschussmitgliedern zuvor über die nach wie vor schlechte Versorgungslage der afghanischen Bevölkerung berichtet. Dem Bundestag liegt dazu eine Unterrichtung des BMZ ( 16/10477) vor. 35 Prozent der Afghanen seien nach wie vor von einer chronischen Nahrungsmittelunsicherheit betroffen, sagte Kortmann. Der milde Winter habe starke Nahrungsmittelengpässe zwar verhindert, jedoch drohe deswegen nun eine Heuschreckenplage. Insgesamt bezeichnete Kortmann die Kooperation zwischen deutscher und afghanischer Seite als sehr positiv. Sie sei inzwischen intensiver und zielorientierter.
Für Diskussionen sorgte die Einschätzung des neuen deutschen Sonderbeauftragten für Afghanistan und Pakistan, Bernd Mützelburg, wonach sich die schwierige sicherheitspolitische Lage in Afghanistan nicht verändert und in einigen Regionen, vor allem in der Grenzregion zu Pakistan, sogar verschlechtert habe. Jürgen Lieser, stellvertretender Vorsitzender des Entwicklungshilfe-Verbandes VENRO warf der Bundesregierung vor, sich zu stark auf das militärische Engagement zu konzentrieren und das zivile Engagement zu vernachlässigen. Das Verhältnis betrage 4:1, betonte er. Dies sei der Lage nicht angemessen. Vielmehr sollten die Perspektiven der afghanischen Bevölkerung stärker in den Blick genommen werden. Die Linksfraktion unterstützte seine Position. Sie wies darauf hin, dass auch die afghanischen Sicherheitskräfte nicht automatisch Schutz garantierten, da von ihnen Übergriffe insbesondere auf Frauen ausgingen. Außerdem betonte sie, dass in den USA im Rahmen ihrer strategischen Neuausrichtung auch über eine Exit-Strategie nachgedacht würde.
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