Berlin: (hib/KTK) Bei einer öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses am Mittwochmittag hat sich die Mehrheit der eingeladenen Sachverständigen kritisch zum Entwurf der neuen Kronzeugenregelung ( 16/6268) geäußert. Der Gesetzentwurf soll an die Stelle der 1999 ausgelaufenen Kronzeugenregelung treten. Es sieht vor, dass ein Gericht eine mildere Strafe verhängen kann, wenn der Täter einer schweren Straftat freiwillig sein Wissen über andere schwere Straftaten offenbart.
Der Entwurf laufe auf ein "Abschleifen rechtsstaatlicher Prinzipien" wie des Schuldprinzips und des Öffentlichkeitsgrundsatzes hinaus, sagte der Frankfurter Professor Peter-Alexis Albrecht. Außerdem bestehe eine Missbrauchsgefahr, wenn ein Kronzeuge "andere fälschlich belastet, um in den Genuss möglichst weitgehender Vergünstigungen zu kommen". Auch Alfred Dierlamm widersprach im Namen der Bundesrechtsanwaltskammer der Einführung einer "allgemeinen Kronzeugenregelung". Je schwerer der Vorwurf sei, umso größer sei erfahrungsgemäß auch die Neigung des Beschuldigten, für eine Strafmilderung andere durch Falschaussagen zu belasten, sagte der Wiesbadener Anwalt.
Oberstaatsanwalt Christoph Frank, Vorsitzender des Deutschen Richterbundes, kritisierte, dass auch Aufklärungshilfe zur Strafmilderung führen kann, die in keinem Zusammenhang zum Beschuldigten und der ihm vorgeworfenen Tat steht. So könnte auch ein überführter Sexualstraftäter Strafmilderung bekommen, weil er beispielsweise zur Aufklärung von "Geldwäsche oder eines schweren Subventionsbetruges beigetragen hat". Die eigentlichen "Gewinner" der neuen Kronzeugenregelung wären Mörder, "die über ihre Mordtaten hinaus in kriminelles Milieu verstrickt sind", sagte Stefan König vom Deutschen Anwaltsverein. Der Rechtsstaat sei auf einen "fragwürdigen Handel" mit Kriminellen nicht angewiesen.
Dagegen betonte der Berliner Professor Florian Jeßberger, dass eine Kronzeugenregelung ein "sinnvolles Instrument der Verbrechensbekämpfung" sein könne, gegen die er keine prinzipiellen rechtlichen Bedenken habe. Die bereits vorhandene "Praxis der Honorierung kooperativen Verhaltens des Beschuldigten" könne mit dem Entwurf auf eine gesetzliche Grundlage gestellt werden. Auch Amtsgerichtsrichter Jerome Lange betonte, in der Praxis gäbe es Beispiele für den Erfolg spezieller Kronzeugenregelungen, so im Bereich des Drogenhandels. Jedoch blieben die Argumente für und wider eine Kronzeugenregelung eine Glaubensfrage, solange keine breit angelegte wissenschaftliche Evaluation zur Verfügung stehe.
Deutscher Bundestag, PuK 2 - Parlamentskorrespondenz
Verantwortlich: Saskia Leuenberger
Redaktion: Dr. Bernard Bode, Götz Hausding, Claudia Heine,
Sebastian Hille, Michael Klein, Hans-Jürgen Leersch, Johanna
Metz, Annette Sach, Helmut Stoltenberg, Alexander Weinlein