Berlin: (hib/HLE) Bedeutung und Attraktivität von Steueroasen sind unter Experten heftig umstritten. Während der Vertreter der Schweizerischen Bankiervereinigung, Urs Roth, in einer Anhörung des Finanzausschusses zur Steuerhinterziehung am Mittwoch darauf hinwies, dass es in der Schweiz keine anonymen Konten gebe und die Inhaber-Sparbücher abgeschafft worden seien, entgegnete der Vorsitzende der Deutschen Steuergewerkschaft, Dieter Ondracek, man könne auch einen "Liechtensteiner Briefkasten als Kontoinhaber nehmen". Es habe sich fast nichts geändert. Der Ausschuss hörte die Experten zu Anträgen der Koalitionsfraktionen Union und SPD ( 16/11389), FDP ( 16/11734, 16/9836), Linksfraktion ( 16/9479, 16/9166, 16/9168) und Bündnis 90/Die Grünen ( 16/9421) zum Thema Steuerhinterziehung. Es ging in der Anhörung auch um den vom Bundeskabinett noch nicht verabschiedeten Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung schädlicher Steuerpraktiken und der Steuerhinterziehung. Darin ist die Möglichkeit vorgesehen, den Betriebsausgabenabzug zu begrenzen, wenn Steuerpflichtige ihren Nachweispflichten bei Geschäften mit so genannten Steueroasen nicht nachkommen.
Roth erklärte, die große Mehrheit der Kunden Schweizer Banken sei steuerehrlich. Es dürfe nicht darum gehen, den gläsernen Bürger zu schaffen. Auskünfte sollten nur bei Vorliegen von Verdachtsmomenten gegeben werden. Die Schweiz erteile Auskünfte bei Steuerbetrugsfällen gemäß dem Doppelbesteuerungsabkommen. Auf Nachfragen bestätigte Roth, das das Doppelbesteuerungsabkommen keine Auskünfte bei der in Deutschland ebenfalls strafbaren Steuerhinterziehung vorsehe. Die Regierung der Schweiz sei aber zu Revisionen des Doppelbesteuerungsabkommens bereit, versicherte der Bankier. Rechtsanwalt Christian Waigel, der nach eigenen Angaben auch als Honorarkonsul für Liechtenstein tätig ist, bezweifelte, dass der Gesetzentwurf viel bringen werde. Das Thema Steuerhinterziehung sei ohnehin durch die Einführung der Abgeltungssteuer "dramatisch entschärft" worden.
Professor Lorenz Jarass (Wiesbaden) bezeichnete Forderungen nach besserer internationaler Zusammenarbeit als "heiße Luft". Wer von Steuerhinterziehung profitiere, sei nicht dazu zu bringen, diesen Vorteil aufzugeben. Die Schweiz und Liechtenstein würden davon profitieren, dass Deutschland Zinserträge quellensteuerfrei ins Ausland lasse, kritisierte Jarass. Wirksam könne nur der Aufbau eines "Drohpotenzials" sein. Dies schlage Finanzminister Peer Steinbrück in seinem Gesetzentwurf vor. Die Wahrscheinlichkeit des Entdeckungsrisikos müsse erhöht werden, forderte der Wissenschaftler.
Für den Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) kritisierte Susanne Uhl, dass es keine internationalen Kooperationen gegen Steuerhinterziehung gebe. Wenn die Bundesregierung jetzt mit einem eigenen Gesetzentwurf komme, sei das ihr gutes Recht. Uhl äußerte die Hoffnung, dass der Gesetzentwurf möglichst bald im Bundestag eingebracht werde. Ein Doppelbesteuerungsabkommen könne auch gekündigt werden, empfahl die DGB-Vertreterin. Der Wirtschaftsethiker Ulrich Thielemann von der Universität St. Gallen sagte, die Illegitimität von Steueroasen sei überhaupt keine Frage. Alle Staaten seien verpflichtet, sich gegenseitig Auskünfte zu geben. Es gehe um gigantische Summen, die in den Steueroasen liegen würden. Der Vorsitzende der Deutschen Steuergewerkschaft Ondracek forderte: "Wir brauchen Sanktionen, wenn ein Staat nicht kooperativ ist." Für den Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) warnte Lars Salzmann vor erheblichen Mehrkosten für die Wirtschaft durch das neue Gesetz, das zusätzliche Mitteilungspflichten enthalte. Rainer Spatscheck vom Deutschen Anwaltverein sagte, da die Oasenstaaten nicht zur Zusammenarbeit verpflichtet werden könnten, wolle die Regeierung den Bürgern zusätzliche Meldepflichten auferlegen. Doch hätten nicht nur Steuerhinterzieher Kontakte in die Schweiz. Die umfassenden Pflichten, die die Regierung einführen wolle, "dürften nicht verfassungsgemäß sein", erklärte Spatscheck.
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