Berlin: (hib/SKE) Die Aufstockung des Vermögens der Contergan-Stiftung und die aus diesem Grund geplante Gesetzesänderung wird grundsätzlich begrüßt. Der Großteil der Sachverständigen bezeichnete am Montagnachmittag in einer öffentlichen Anhörung des Familienausschusses die Erhöhung des Stiftungsvermögens durch die Firma Grünenthal und den Bund von 100 Millionen Euro und die damit verbundenen höheren Zahlungen an Betroffene als überfällig. Uneinig blieben sie, ob das Vermögen sofort an die Betroffenen ausgezahlt oder in jährlichen Sonderzahlungen über 25 Jahre gestreckt werden soll.
Margit Hudelmaier vom Bundesverband Contergangeschädigter sagte, die Öffentlichkeit nehme Contergan-Geschädigte oft als Behinderte war, die ihr Leben trotz starker Beeinträchtigungen gut meisterten. Das Leiden der Menschen werde aber nicht wahrgenommen. Den Begriff der "monatlichen finanziellen Unterstützung", wie er in dem Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen ( 16/12413) verwendet wird, lehne der Bundesverband jedoch als "zu negativ" ab, so Hudelmaier. Regina Schmidt-Zadel von der Conterganstiftung für behinderte Menschen begrüßte den Gesetzentwurf. "Der Ausbau der Leistungen ist dringend notwendig", sagte Schmidt-Zadel. "Zuerst wurde ein Verbrechen an uns verübt, dann wurden wir entrechtet und jetzt leben wir in Armut", beklagte Gihan Higasi, die selbst von Contergan geschädigt ist. Sie forderte das Recht für Contergangeschädigte, zwischen einer sofortigen Auszahlung der ihnen zustehenden Entschädigung und jährlichen Sonderzahlungen wählen zu dürfen.
Im Gesetzentwurf vorgesehen sind jährliche Sonderzahlungen an die Betroffenen über einen Zeitraum von 25 Jahren. Zudem sollen nur noch Projekte gefördert werden, die ausschließlich contergangeschädigten Menschen zugute kommen. Bisher bezieht sich die Projektförderung generell auf behinderte Menschen. Darüber hinaus sollen die Strukturen der Stiftung gestrafft und der Stiftungsrat verkleinert werden. In einem Antrag fordert die Fraktion Die Linke ( 16/11639) eine sofortige Auszahlung der von der Firma Grünenthal zur Verfügung gestellten 50 Millionen Euro, eine Erhöhung der bisherigen Entschädigungsleistungen um 50 Prozent und eine paritätische Besetzung des Stiftungsrates und -vorstandes mit Contergangeschädigten.
Professor Hans Karbe vom Neurologischen Rehabilitationszentrum "Godeshöhe" gab zu Bedenken, dass die Beschränkung der jährlichen Sonderzahlung auf 25 Jahre zu kurz gedacht sein könnte. "Contergangeschädigte haben durchschnittlich eine normale Lebenserwartung und werden auch in 25 Jahren noch Bedarf haben", prognostizierte Karbe. Professor Klaus Peters von der Rhein-Sieg-Klinik aus Nordrhein-Westfalen sagte, die Betroffenen litten heute aufgrund ihrer Fehlbildungen vor allem unter chronischen Schmerzen an der Wirbelsäule sowie Schäden an der Hüfte.
Die Experten betonten, die Ausschlussfrist für Anträge von Betroffenen an die Stiftung müsse vollständig aufgehoben werden. Der Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen sieht derzeit vor, dass Contergangeschädigte, die bisher aufgrund der Ausschlussfrist keine Anträge auf finanzielle Unterstützung an die Stiftung stellen konnten, dieses bis Ende 2010 nachholen können. Die Fraktion Die Linke fordert, die Ausschlussfrist aufzuheben.
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