Berlin: (hib/MIK) Der Bau einer festen Fehmarnbeltquerung wird von den meisten Experten begrüßt. Dies wurde am Mittwochmittag bei einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung deutlich, bei der es um einen Gesetzentwurf der Bundesregierung ( 16/12069) zu dem Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Dänemark über eine Feste Fehmarnbeltquerung ging.
Kernstück des Vertrages vom 3. September 2008 ist der Bau einer festen Querung (Brücke oder Tunnel) für den Schienen- und Straßenverkehr über den 19 Kilometer breiten Fehmarnbelt zwischen Deutschland und Dänemark. Die Verbindung soll aus einer vierspurigen Straßenverbindung und einer zweigleisigen Schienenstrecke bestehen. Darüber hinaus soll die erforderliche Hinterlandanbindung in beiden Ländern geschaffen werden. Laut Vertrag wird Dänemark die Feste Fehmarnbeltquerung errichten, betreiben und die Kosten tragen. Für den Ausbau und die Finanzierung der deutschen Hinterlandanbindungen ist die Bundesrepublik Deutschland verantwortlich, für die Hinterlandanbindung auf dänischem Hoheitsgebiet das Königreich Dänemark.
"Für das Land Schleswig-Holstein ist die Feste Fehmarnbeltquerung ein verkehrspolitisches Schlüsselprojekt", erklärte der schleswig-holsteinische Minister für Wirtschaft, Wissenschaft und Verkehr, Jörn Biel. Nach der deutschen Wiedervereinigung und der EU-Osterweiterung habe sich Schleswig-Holstein zunehmend zu einer Verkehrsdrehscheibe zwischen Skandinavien, den Ballungszentren in Westeuropa und den Staaten der östlichen Ostsee entwickelt. Angesichts der stark wachsenden Verkehrsmengen würden die vorhandenen Verkehrsverbindungen jedoch auf Dauer nicht ausreichen. Mit der Festen Fehmarnbeltquerung würden Skandinavien und Kontinentaleuropa auf der geographisch kürzesten Verbindung, der Vogelfluglinie, optimal miteinander verbunden. Nach der Realisierung der festen Querungen in Dänemark und Schweden (über den großen Belt und dem Öresund) werde mit der Festen Fehmarnbeltquerung eine wesentliche Strecke des transeuropäischen Verkehrsnetzes geschlossen. Schleswig-Holstein verspreche sich davon eine Verbesserung der Standortqualität und Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft. Durch die bessere Erreichbarkeit werde die Region zudem auch als Wohngebiet für Pendler in die Metropolen attraktiv. Insbesondere für junge und qualifizierte Menschen werde eine Alternative zur Abwanderung aus der Region eröffnet. "Die Fehmarnbeltquerung hat eine historische Dimension mit einer außerordentlich hohen verkehrs-und regionalwirtschaftlichen sowie europapolitischen Bedeutung für den gesamten nordeuropäischen Raum", betonte Biel. In den betroffenen Regionen lehnten Teile der Bevölkerung das Projekt auch ab, räumte er ein. Er halte die Skepsis jedoch für größtenteils unbegründet.
Ähnlich argumentierte Bernd Jorkisch, Präses der Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Lübeck. Die IHK erwartet von einer festen Querung positive wirtschaftliche Effekte für ganz Nordeuropa. Im Zentrum dieser Bewertung stehe die Erkenntnis, dass die Verkehrsmengen in den nächsten Jahren wegen des prognostizierten überdurchschnittlichen Wirtschaftswachstums in Osteuropa weiterhin deutlich steigen werden. Um die vollen Möglichkeiten einer festen Querung zu nutzen, komme es aber darauf an, parallel zum Bau der Brücke die Eisenbahnstrecke beiderseits des Fehmarnbelts möglichst auf mehr als die geplanten 160 Stundenkilometer zu erhöhen. Dies schließe langfristig den zweigleisigen Ausbau unbedingt mit ein, so Jorkisch. Für Peter Lundhus, Geschäftsführer von Femern Baelt A/S, schafft die Verbindung neue Regionen, die einen Wettbewerbsvorsprung haben. Der Bau werde mit "sehr viel Respekt" vor den Menschen und der Natur errichtet. Mit den verkehrlichen Auswirkungen beschäftigt sich Markus Schubert, Geschäftsführer der Intraplan Consult GmbH. Danach werden 2015 täglich 7.500 bis 8.000 Pkw, 130 Busse und 1.100 bis 1.200 Lkw die feste Landbindung überqueren, prognostizierte er. Hinzu kämen bis zu 100 Eisenbahnzüge, wovon die größere Zahl davon Güterzüge seien. in den Folgejahren sei mit noch höherem Verkehr zu rechnen. Danach würden im Jahr 2025 8.000 bis 10.000 Pkw pro Tag über die Brücke fahren und bis zu 1.800 Lkw. Diese Prognosen sind laut Schubert "eher konservativ". Auch die anderen, in den vergangenen Jahren errichteten festen Verbindungen in Nordeuropa hätten mehr Verkehr als vorher angenommen.
Für Karlheinz Rösler, von der VIEREGG-RÖSSLER GmbH, innovative Verkehrsberatung, ist die Feste Fehmarnbeltquerung nach Auswertung der Wirtschaftlichkeit nicht unbedingt notwendig. Es werde seit 1992 geplant; seitdem hätten sich die wirtschaftlichen Rahmendaten geändert. Dies müsse bei den Planungen bedacht werden. "Aus einer rationalen, ökonomischen Sichtweise heraus werde allein die Beibehaltung des Fährbetriebs und der Verzicht auf jegliche feste Querung des Fehmarnbelts angemessen", sagte er. Aber wenn man auch den eher emotionalen Faktor berücksichtige, dass die Bewohner der dänischen Inseln Seeland und Lolland sowie die Bürger der dänischen Hauptstadt Kopenhagen ein starkes Bedürfnis nach einer festen, verlässlichen Verbindung direkt nach Süden haben, komme als Kompromiss durchaus eine feste Querung mit zwei Straßenfahrspuren und einem Bahngleis in Frage.
Gegen den Bau sprach sich Malte Siegert, vom Naturschutzbund Deutschland (NABU) aus. Danach gibt Deutschland durch eine Ratifizierung des Staatsvertrages seine Verantwortung für ein Projekt ab, dessen ökologische Folgen völlig unabsehbar, dessen volkswirtschaftlicher Nutzen negativ und dessen Finanzierungsparameter mit möglichen Auswirkungen auf den Bundeshaushalt äußerst fragwürdig seien. Das Projekt eigne sich nicht, um aus diplomatischer Höflichkeit gegenüber Dänemark möglichen Schaden für die Bundesrepublik Deutschland zu riskieren.
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