Berlin: (hib/JOH) Der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung hat einen Antrag ( 16/12735) der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Enthaltung der FDP zum Thema "land grabbing" (Landnahme) am Mittwochmorgen abgelehnt. Die Linksfraktion war bei der Abstimmung nicht anwesend. Die Grünen hatten gefordert, "land grabbing" und die Stärkung von Landrechten auf die internationale Agenda zu setzen und in einer hochrangigen Konferenz mögliche Potenziale, Gefahren und Auswirkungen zu diskutieren. Als "land grabbing" bezeichnet man den zunehmenden Trend von Regierungen und Unternehmen aus Öl-, Schwellen- und Industrieländern, fruchtbares Land in Entwicklungsländern zu kaufen oder zu pachten, um dort Nahrungsmittel für den eigenen Binnenmarkt zu produzieren.
Im Ausschuss hatte der UN-Kommissar für das Menschenrecht auf Nahrung, Olivier de Schutter, von großflächigen Landkäufen ausländischer Investoren in "unglaublich hohem Ausmaß" gesprochen. Besonders die afrikanische Subsahara-Region sei von dieser Entwicklung betroffen. Einige Investoren nutzten das Land für Spekulationen. Diese Invesitionen, betonte De Schutter, hätten durchaus auch positive Aspekte: Es werde in ländliche Gebiete und in neue Technologien investiert und Arbeit geschaffen. Allerdings seien diese Landkäufe bisher wenig transparent und daher kaum kontrollierbar. Gerade viele Kleinbauern, die ohnehin schon zu den ärmsten Teilen der Bevölkerung zählen, könnten im Wettbewerb mit den großen Investoren nicht mithalten und würden zudem oft von ihrem Land vertrieben. Die Gewinne aus Verkäufen und Pacht kämen häufig auch nicht der lokalen Bevölkerung zugute, sondern verstärkten die bestehende Nahrungsmittelknappheit eher noch.
Die Grünen-Fraktion sprach von einer "sehr besorgniserregenden Tendenz". Man müsse die vom "land grabbing" betroffenen Länder in der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit intensiver beim Abschluss der Kauf- oder Pachtverträge beraten, damit die Nahrungsmittelsicherheit im eigenen Land weiter gewährleistet werden könne. Die CDU/CSU-Fraktion wies darauf hin, dass die Lösung des Dilemmas im Bereich der Good Governance (der guten Regierungsführung) liege. "Schlüsselakteure sind die Regierungen." Sie müssten sich verantwortungsbewusst verhalten, besonders auch im Hinblick auf die Gestaltung der Kauf- oder Pachtverträge, so die Unionsfraktion.
Die FDP betonte, die Frage, wie man Land und insbesondere Landrechte sichern könne, sei ganz zentral. Gepachtetes Land könne Bauern nicht einfach weggenommen und an Dritte weitergeben werden, wie das beim "land grabbing" häufig geschehe. Den Grünen-Antrag unterstützte die FDP zwar prinzipiell, enthielt sich aber, weil einige Punkte darin aufgeführt seien, "die mit dem Thema nichts zu tun haben". Die SPD-Fraktion lehnte den Antrag ab, weil ein im Herbst verabschiedeter Antrag der Koalitionsfraktionen zur Förderung von ländlicher Entwicklung in Entwicklungsländern ( 16/11053) bereits sehr wichtige Punkte wie Katasterwesen und Good Governance enthalten habe. Sie betonte, es könne unter strengen Voraussetzungen mittelfristig durchaus Sinn machen, im Rahmen eines ausländischen Investments eine landwirtschaftliche Produktion zu ermöglichen
und damit eine Infrastruktur und einheimische Arbeitsplätze zu schaffen. Jedoch sollte man kein Entwicklungsmodell fördern, bei dem ausländische Staaten mit ihren eigenen Arbeitskräften in erster Linie für ihre Heimatländer produzierten.
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