Berlin: (hib/BOB) Sachverständige haben einen Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD ( 16/12098), der die Interessen von Opfern und Zeugen im Strafverfahren stärken soll, im Grundsatz begrüßt. Dies wurde während einer Anhörung des Rechtsausschusses am Mittwochmittag deutlich. So bezeichnete Professor Reinhard Böttcher, Bundesvorsitzender des "Weißen Rings", den Gesetzentwurf als "großen Schritt in die richtige Richtung". Er führe den eingeleiteten Reformprozess zugunsten der Opfer von Kriminalität "in überzeugender Weise" fort. Den Interessen der Verletzten und den Belangen der Zeugen werde im Strafverfahren in wichtigen Punkten besser entsprochen als bisher. Die Praxis der vom "Weißen Ring" geleisteten Opferhilfe zeige, dass viele Opfer über die Rechte und bestehenden Hilfsmöglichkeiten bisher nicht ausreichend informiert werden. Sie liefen deshalb Gefahr, diese Rechte und Hilfsmöglichkeiten nicht in Anspruch zu nehmen. Böttcher appellierte an Bundestag, das Gesetz noch vor der Bundestagswahl zu verabschieden.
Christian Schmidt-Sommerfeld, Präsident des Landgerichts München II, machte deutlich, die mit dem Opferrechtsreformgesetz beabsichtigten rechtspolitischen Ziele würden "im Grundsatz" sehr begrüßt. Er warnte jedoch davor, das "Rad in diese Richtung zu überdrehen". So betrügen die Kosten für die öffentlichen Haushalte allein aufgrund der Gebühren für einen Opferanwalt 10 bis 20 Millionen Euro. Die verstärkte Möglichkeit der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für Verletzte würde hinzukommen, so der Experte. Wolfgang Arenhövel, Präsident des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen, stimmte den vorgeschlagenen Regelungen im Grundsatz zu. Opfer von Straftaten, zumal von besonders schweren, müssten staatlichen Schutz beanspruchen können. Es gelte das staatliche Strafverfolgungsmonopol, das die Ermittlungsbehörden und Gerichte wegen der verfassungsrechtlich garantierten Unschuldvermutung zu einem fairen und rechtsstaatlichen Verfahren verpflichte. Regelungen, die dem Opferschutz Rechung trügen, eine Aufklärung der Straftat aber zum Nachteil des Beschuldigten behinderten oder gar verhinderten, seien deshalb nicht akzeptabel, sagte Arenhövel. Die Entwürfe führten die seit mehreren Jahrzehnten andauernden Bemühungen um eine Stärkung der Rechte von Verletzten und Zeugen in Strafverfahren weiter, machte Professor Dieter Dölling, Direktor des Instituts für Kriminologie an der Universität Heidelberg klar. Die Entwürfe seien zu begrüßen, da sie Verbesserungen für die Opfern und Zeugen vorsähen, ohne die Rechte von Beschuldigten zu beschneiden. Das Interesse der Allgemeinheit an einer umfassenden und zügigen Aufklärung und Sanktionierung von Straftaten sei gleichfalls berücksichtigt.
Professor Heinz Schöch von der Universität München führte aus, der Gesetzentwurf verfolge das berechtigte Ziel, die im Strafverfahren bestehenden Rechte der Opfer und der Zeugen von Straftaten angemessen zu erweitern. Dies geschehe in ausgewogener Weise. Hervorzuheben sei, dass sich die vorgeschlagenen Verbesserungen der Verletzten- und Zeugenrechte nicht zu Lasten der "legitimen" Befugnisse der Verteidigung des Beschuldigten auswirkten, so Schöch weiter. "Licht und Schatten" war das Fazit von Professor Matthias Jahn, Institut für Strafrecht, Strafprozessrecht und Kriminologie an Universität Erlangen-Nürnberg. Das gesetzgeberische Ziel einer stetigen Verbesserung des Schutzes von Verletzten und Zeugen im Strafverfahren verdiene grundsätzlich Zustimmung. Ein automatisches Überwiegen der "Opferbelange" gegenüber den Rechten des Beschuldigten sei dabei nicht begründbar. Gleicher Meinung war der Bremer Rechtsanwalt Helmut Pollähne: Die Stärkung von Opferrechten könne nicht mit der Schwächung der Rechte von Beschuldigten einhergehen.
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