Berlin: (hib/SEH) Der von den Koalitionsfraktionen vorgelegte Gesetzentwurf zur Bekämpfung der Kinderpornografie in Kommunikationsnetzen ( 16/12850) ist unter Experten umstritten. Das wurde bei einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie am Mittwochnachmittag deutlich. Der Entwurf sieht vor, dass Internetanbieter zur Sperrung von Seiten mit kinderpornografischen Inhalten verpflichtet werden. Derartige Seiten soll künftig das Bundeskriminalamt (BKA) in einer Sperrliste aufführen. Wenn Internetnutzer versuchen sollten, diese Seiten aufzurufen, sollen sie zu einer Stoppmeldung umgeleitet werden. Der Anbieter wiederum soll verpflichtet werden, dem BKA eine Aufstellung über die Zahl der Zugriffsversuche zu übermitteln. In dem Entwurf ist ebenfalls geregelt, dass lediglich Seiten mit kinderpornografischen Inhalten gesperrt werden dürfen. "Eine Ausweitung auf andere Zwecke ist nicht beabsichtigt", heißt es in der Begründung.
Hauptstreitpunkt unter den Sachverständigen war die Frage, ob der Kampf gegen die Kinderpornografie die Grundrechte der Bürger beschneidet. Im Zuge der Blockierung von Internetseiten könnten zum Beispiel personenbezogene Daten gespeichert werden, befürchtete Professor Ulrich Sieber vom Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht. "Wenn im Gesetzentwurf nicht klar wird, was mit den gesammelten Daten geschehen soll, dann ist das verfassungswidrig." Auch der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Schaar, wandte sich gegen die Erhebung, Speicherung oder Verarbeitung personenbezogener Daten. Schließlich gelangten viele Personen unabsichtlich auf kinderpornographische Seiten, durch Methoden wie Spam oder Phishing. "Es besteht so die Gefahr, dass unbescholtene Nutzer einem Ermittlungsverfahren ausgesetzt werden", sagte Oliver Süme vom Verband der Deutschen Internetwirtschaft (ECO).
Vielmehr geht es nach Ansicht aller Experten darum, den Hintermännern der Kinderpornographie das Handwerk zu legen und den gesellschaftlichen Druck auf die Täter zu erhöhen. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sei noch kein Weg dorthin, meinte Medienrechtler Dieter Frey: "Der Gesetzentwurf lässt eine Gesamtstrategie zur Bekämpfung der Kinderpornographie im Internet vermissen. Es muss gegen die Anbieter der Inhalte und gegebenenfalls gegen die Betreiber der Internetserver vorgegangen werden, bevor Zugangserschwerungen für die Nutzer erwogen werden." Abgesehen davon hält Bundesrichter Peter-Jürgen Graf ein Gesetz zur Sperrung von kinderpornographischen Internetseiten verfassungsrechtlich für gesetzmäßig. Die Inhalte müssten zudem von den Anbietern entfernt werden, weil sie sich sonst wegen Beihilfe zu einer Straftat selbst strafbar machen.
Verfassungsrechtler Professor Matthias Bäcker von der Universität Mannheim sprach dem Bund die Gesetzgebungskompetenz für das geplante Gesetz ab, ebenso wie die Verwaltungskompetenz, das BKA mit der Führung der sogenannten "Sperrliste" zu betrauen. Außerdem forderte Bäcker mehr Informationen für die Betroffenen und warnte vor unverhältnismäßigen Eingriffen bei Internet-Anbietern. Die Internet-Branchenverbände sprechen sich gegen eine Sperrung europäischer Internetseiten aus. Das schade der Internetwirtschaft, zumal die pornographischen Inhalte für versierte Nutzer trotzdem abrufbar seien. Sollten Internetseiten dennoch gesperrt werden, sollten deren Anbieter entschädigt werden.
Jürgen Maurer, der Direktor des BKA sprach sich für den Gesetzentwurf aus. Er begrüßte, dass künftig keine unabhängige Behörde sondern das BKA die Liste gesperrter kinderpornografischer Internetseiten verwalten soll. "Wir können einschätzen, was Kinderpornografie ist, und was nicht. Nach zusätzlicher Arbeit drängen wir uns nicht, aber wir sind nun mal die beste Stelle, um alle Informationen zu bündeln", sagte Maurer.
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