Berlin: (hib/HAU) Sowohl der betroffene Personenkreis als auch die Intensität des Medikamentenmissbrauchs im Freizeit- und Breitensport nimmt weiter zu. In dieser Einschätzung waren sich die zu einer öffentlichen Anhörung des Sportausschusses am Mittwochnachmittag geladenen Experten einig. Sie bedauerten gleichzeitig, dass es derzeit zu wenig belastbare Untersuchungen in diesem Bereich gibt.
Aus Sicht von Mischa Kläber, der an der Technischen Universität Darmstadt an einer Promotion zum Thema des Medikamentenmissbrauchs im Freizeit- und Breitensport arbeitet, werde Doping vielfach immer noch als Problem des Hochleistungssports gesehen. Die Dopingszene des Freizeit- und Breitensports habe sich derweil ungebremst entfalten können. Kläber forderte, dem Problem mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Wichtig sei für die Forschung dabei, die Freizeitsportler, die sich für ihren Sport dopen, nicht zu verurteilen oder zu diffamieren. "Hauptnachschubstation" für verbotene Substanzen seien seinen Befragungen nach Fitnessstudios, in denen sich Amateure und Profisportler treffen würden. Zugleich verwies er darauf, dass bei vielen Freizeitsportlern der Medikamentenmissbrauch unter ärztlicher Beobachtung stattfinden würde. Das bestätigte auch Professor Perikles Simon von der Universität Mainz. Ein Drittel der Dopingnutzer ließen sich vom Arzt "kontrollieren", sagte Simon. Gleichzeitig nehme jedoch der Missbrauch über Internetnutzung zu. Als am häufigsten verwandte Wirkstoffe benannte er Methandienon sowie verschiedene Testosteronester. Meist hänge jedoch der eingesetzte Wirkstoff vom Angebot des Schwarzmarktes ab.
Eine Nachjustierung des Arzneimittelgesetzes schlug Professor Klaus Müller, langjähriger Leiter des Instituts für Dopinganalytik in Kreischa, vor. Zudem müsse die Datenlage in dem Bereich des Freizeit- und Breitensports verbessert werden. Er kritisierte zudem, dass die Medien den Eindruck vermitteln würden, Erfolge im Leistungssport ließen sich nur mit Hilfe von Doping erzielen. Nach Ansicht des ehemaligen Bodybuilders und jetzigen Anti-Doping-Aktivisten Jörg Börjesson hat Doping den Sport längst verlassen und Fuß in der Gesellschaft gefasst. Er wisse von dopenden Soldaten, Polizisten und auch Sportstudenten, die körperlich fit sein müssten und dabei auf der Suche nach der Lücke zum "gesunden Medikamentenmissbrauch" seien. Er halte Vorträge in Schulen, um jungen Menschen die möglichen Folgen des Medikamentenmissbrauchs deutlich zu machen. Solche eventuellen Folgen seien erfolgreichen Bodybuildern egal, sagte der Szenemusiker Sven - Seyfu - Schulze. "Mister Olympia" verdiene mit seinen Auftritten viel Geld. "Der sagt sich doch: Immer noch besser, dabei eventuell die Gesundheit zu gefährden, als sich auf dem Bau kaputt zu machen", sagte Schulze. Seiner Meinung nach dürften dopende Freizeitsportler nicht als Versager hingestellt werden, da sie so bei der Aufklärung nicht erreicht werden könnten.
Ein einheitliches Zertifizierungssiegel für die Freizeitsportbranche mit entsprechender Ausbildung und Ausstattung der Sportanlagen forderte Ron Ostermann vom Verband Deutscher Fitness- und Gesundheitsunternehmen. Zudem solle über eine abschreckende Kampagne - wie etwa beim Rauchen - nachgedacht werden.
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