Berlin: (hib/HAU) Experten sprechen sich für eine gesetzliche Regelung des Übergangs ausscheidender Minister und Staatssekretäre in Unternehmen aus. Ein "freiwilliger Verhaltenskodex", so ihre Einschätzung während einer öffentlichen Anhörung des Innenausschusses am Montagnachmittag, reiche nicht aus. Grundlage des Hearings bildeten jeweils drei Anträge der Linksfraktion ( 16/846, 16/9484, 16/8453) und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ( 16/948, 16/8762, 16/13174) sowie ein Antrag der FDP-Fraktion ( 16/677) zum Umgang mit Lobbyismus.
Für eine Karenzzeit von drei Jahren, die zwischen dem Ausscheiden aus dem Dienst und der Aufnahme einer Tätigkeit, die in Zusammenhang mit dem früheren Amt steht, sprach sich Jochen Bäumel von "Transparency Deutschland" aus. Vergleichbare Regelungen gebe es bereits für Beamte, Richter und Soldaten, sagte Bäumel. Nötig seien die Regelungen, da in der Vergangenheit Minister und Staatssekretäre nach ihrem Ausscheiden innerhalb kurzer Zeit in Unternehmen gewechselt seien, bei denen der Anschein nicht vermieden worden sei, dass es einen Zusammenhang zwischen im Amt getroffenen Entscheidungen und der aufgenommenen Tätigkeit gibt. Während es Beamten grundsätzlich untersagt werden kann, bis zu fünf Jahren nach dem Ausscheiden eine solche Beschäftigung aufzunehmen, gebe es bei leitenden Beamten, die um ihre Entlassung ersucht haben um eine neue Tätigkeit aufzunehmen, eine "Regelungslücke", sagte der ehemalige Staatssekretär, Johann Hahlen.
Auf das Problem der "herausgekauften" Beamten verwies auch der Staatsrechtler Ulrich Battis von der Humboldt Universität Berlin. Wer ohne Ansprüche auf Versorgungsbezüge ausscheide, falle nicht mehr unter das Beamtenrecht. Daher sollte es auch bei diesen Fällen eine Karenzzeit geben. Dies sollte ausdrücklich nicht für parlamentarische Staatsekretäre gelten, die wie ganz normale Abgeordnete zu behandeln seien und ihren Beruf ausüben dürften, sagte Battis. Der ehemalige Staatssekretär Hahlen regte an, auch Minister, die nach ihrer Dienstzeit wieder als Abgeordnete tätig sind, nach Artikel 12 des Grundgesetzes, die freie Berufswahl zu ermöglichen. Dem widersprach Professor Hans Meyer von der Juristischen Fakultät der Humboldt Universität Berlin: Die Anwendung von Artikel 12 sei in diesem Falle eine "abenteuerliche Rechtskonstruktion". Ehemalige Minister hätten eine besondere Dienstpflicht und seien daher auch gesondert zu behandeln. Meyer sprach sich auch gegen die von Battis geforderte unterschiedliche Behandlung von beamteten und parlamentarischen Staatssekretären aus. Beide müssten mit einer Karenzzeit von zwei Jahren belegt werden, sagte er. Dass es derzeit eine Karenzzeitregelung in Deutschland nicht gibt, sei ein "deutscher Sonderweg", sagte der Reporter des Magazins "Stern", Hans-Martin Tillack. Laut der "Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung" sei die Übergangsregelung umso wichtiger je höherrangig ein Amtsträger ist. In Deutschland sei dies genau anders herum, kritisierte Tillack.
Ebenfalls befürwortet wurde von der Mehrheit der Sachverständigen die Einführung eines verpflichtenden Lobbyregisters. Die Bürger hätten ein Recht zu wissen, welche Akteure in welchem Interesse und mit welchem Budget Einfluss auf politische Entscheidungen zu nehmen versuchen, sagte Heide Klein von der Organisation "LobbyControl". Aus Sicht von "Transparency Deutschland" sollte es zukünftig Ministerialbeamten untersagt sein, Gesprächstermine mit nicht registrierten Lobbyisten wahrzunehmen. Die Professoren Battis und Meyer sprachen sich ebenfalls für ein verpflichtendes statt eines freiwilligen Registers aus und machten deutlich, dass ihrer Ansicht nach sowohl die Definition als auch die Abgrenzung von Lobbyisten keine Probleme bereiten würden.
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