Berlin: (hib/KTK) Ob sich Kandidaten für das Amt des Bundesverfassungsrichters in Zukunft einer öffentlichen Anhörung stellen sollen, ist unter Experten umstritten. Das wurde bei einer Anhörung des Rechtsausschusses am Montagnachmittag deutlich. Grundlage der Diskussion waren sowohl ein Gesetzentwurf ( 16/9628) als auch ein Antrag ( 16/9927) der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Die Abgeordneten fordern die Einführung öffentlicher Anhörungen, da zurzeit kein Verfahren bestehe, "das der Öffentlichkeit die Möglichkeit eröffnet, sich auf Grund eigener Anschauung eine fundierte Auffassung zu den Kandidaten zu bilden".
Außerdem schlagen die Grünen vor, dass nicht mehr ein Wahlausschuss des Bundestages, sondern das Plenum über die Richter abstimmen soll, und dies mit einer Dreiviertelmehrheit. Bislang ist im Wahlausschuss eine Zweidrittelmehrheit für die Richterwahl ausreichend. Darüber hinaus fordert die Fraktion, dass jedem Senat mindestens drei Frauen angehören sollen.
Christian Calliess, Berliner Professor für öffentliches Recht, wandte sich gegen die Einführung öffentlicher Anhörungen, wie sie in den Vereinigten Staaten praktiziert werden. Diese seien typisch für das präsidiale System - mit dem parlamentarischen System der Bundesrepublik aber nicht vereinbar. Durch die öffentliche Befragung würden Kandidaten zu Festlegungen in politisch brisanten Fragen gedrängt, was bei einem späteren Prozess den Vorwurf der Befangenheit mit sich bringen könnte. Auch Heike Krieger, Richterin am Verfassungsgericht des Landes Berlin, lehnte öffentliche Anhörungen ab: Diese könnten von den Beteiligten zur politischen Profilierung genutzt werden und zu einer Politisierung des Verfahrens führen.
Winfried Hassemer, ehemaliger Vizepräsident des Verfassungsgerichts und heute Rechtsanwalt in Frankfurt am Main, unterstützte die Idee öffentlicher Anhörungen dagegen energisch. Er kritisierte, dass im aktuellen Verfahren ein Wissensvorsprung von manchen Beteiligten bestehe, Kandidaten und Richter aber oft nicht informiert würden. Der Rechtsausschuss wäre ein geeignetes Gremium, um solche Anhörungen mit der notwendigen Fachkenntnis durchzuführen, sagte er. Hans-Peter Schneider, Direktor des Deutschen Instituts für Föderalismusforschung, vertrat hingegen die Meinung, dass nur ein amtierender oder aktueller Verfassungsrichter die Kompetenzen hätte, eine solche Anhörung zu moderieren. In der Vergangenheit hätten Kandidaten nicht die Möglichkeit gehabt, öffentlich auf Vorbehalte gegen ihre Person zu reagieren. Deshalb unterstütze er ebenfalls die Einführung öffentlicher Anhörungen.
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