Berlin: (hib/BOB) Die Strafvorschrift des Militärstrafgesetzbuches wegen Kriegsverrats ist ebenfalls in das Gesetz zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege aufzunehmen. Dies fordert ein Gesetzentwurf von CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen ( 16/13654). Die Fraktionen erläutern, der Straftatbestand des Kriegsverrats sei unter der NS-Herrschaft erweitert und das Strafmaß generell erhöht worden. Vom April 1934 an sei für Kriegsverrat statt Zuchthaus als alleinige Strafandrohung die Todesstrafe eingeführt worden. Mit der sogenannten Verratsnovelle seien die Vorschriften zum Hoch- und Landesverrat grundlegend neu gefasst worden. Diese Verratsnovelle sei Ausdruck des völkischen Strafrechtsdenkens des Nationalsozialismus gewesen, deren Ausgangspunkt eine auf rassische Artgleichheit begründete Volksgemeinschaft gewesen sei, aus der sich der Verräter durch Treubruch ausschließe. Ein so verstandenes Gesetzesrecht sei mit dem rechtstaatlich gebotenen Grundsatz der Bestimmtheit von Strafgesetzen unvereinbar, argumentieren die beiden Regierungsfraktionen sowie FDP und Grüne. Denn danach solle jeder Einzelne "vorhersehen können, welches Verhalten verboten und mit Strafe bedroht ist", wie es das Bundesverfassungsgericht ausgeführt hat.
Die fehlende rechtsstaatliche Bestimmtheit der Strafvorschriften des Kriegsverrats werde auch durch neuere Untersuchungen zur Urteilspraxis belegt. Sie zeigten, dass Soldaten - und auch Zivilisten - für ganz unterschiedliche Handlungen wegen Kriegsverrats zum Tode verurteilt wurden: für politischen Widerstand, für die Hilfe für verfolgte Juden oder für Unbotmäßigkeiten gegen Vorgesetzte. Der unbestimmte Tatbestand des Kriegsverrats habe sich als Instrument der NS-Justiz erwiesen, um nahezu jedwedes politisch missliebiges abweichendes Verhalten als "Verrat" zu brandmarken und mit dem Tode bestrafen zu können, so CDU/CSU, SPD, FDP und Grüne.
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