Den beiden Zeugen zufolge ging es an jenem Wochenende einerseits darum, unbedingt die Insolvenz der HRE zu verhindern, da in einem solchen Fall angesichts der enormen Bedeutung dieses Instituts dem gesamten Bankensystem Gefahr gedroht habe. Dann wäre es zu einer ”Kernschmelze“ auf dem Finanzmarkt gekommen, sagte Weidmann, ”wir haben in den Abgrund geschaut“. Andererseits habe die Regierung das Ziel verfolgt, die Beteiligung der Banken an der HRE-Rettung möglichst hoch zu treiben, so Asmussen. Der Staatssekretär betonte, die zwischen Kanzleramt und Finanzministerium abgestimmte Verhandlungsstrategie am ”Rettungswochen-ende“ sei ”kein fahrlässiger Poker gewesen“. Damit widersprach er der Kritik aus den Reihen der Opposition, er sei schlecht vorbereitet in die Gespräche mit dem Bankenkonsortium unter Führung von Deutsche Bank-Chef Josef Ackermann gegangen und sei am Sonntag erst um 17 Uhr und damit zu spät vor Ort zugegen gewesen. Wie Asmussen erklärte auch Weidmann, die späte direkte Einschaltung der Regierung in die Verhandlungen habe das Ziel verfolgt, den vom Finanzsektor zu leistenden Beitrag zur HRE-Stabilisierung ”voll auszureizen“.
FDP, Linkspartei und Grünen erhoben während der Zeugenvernehmung den Vorwurf, das Finanzministerium habe Warnsignale zur krisenhaften Entwicklung der HRE, die schon vor der Pleite von Lehman Brothers Mitte September 2008 erkennbar gewesen seien, nicht zur Kenntnis genommen. Weidmann und Asmussen erklärten dazu, bis zum Zeitpunkt des nicht vorhersehbaren Lehman-Fiaskos mit der folgenden Austrocknung des Interbankenmarkts habe es keine Hinweise auf eine existenzbedrohende Lage bei der HRE gegeben.
Der Staatssekretär sagte, in den von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) vor dem Ende von Lehman an das Finanzressorts übermittelten Prüfberichten sei die Situation der HRE als ”angespannt, aber beherrschbar“ beschrieben worden. Angesichts dieser Analyse habe es seinerzeit für die zuständige Fachabteilung im Ministerium als Adressat der BaFin-Mitteilungen keinen Anlass gegeben, diese Berichte an die Leitungsebene des Ressorts und damit auch an ihn zu übermitteln. Wären die BaFin-Prüfungen der Führung des Ministeriums und dem Kanzleramt schon vor oder während des Debakels der HRE bekannt gewesen, so hätte dies keinen Einfluss auf die Rettung des durch die Lehman-Pleite ins Trudeln geratene Münchner Instituts gehabt, erläuterten Asmussen und Weidmann. Zu der vom FDP-Abgeordneten Volker Wissing erwähnten Aussage von BaFin-Chef Jochen Sanio vor dem Ausschuss, die HRE habe seit der Übernahme der irischen Depfa im Herbst 2007 ”in der Falle“ gesessen und sich zu einem Schneeballsystem entwickelt, meinte Asmussen, derart habe sich Sanio gegenüber dem Ministerium nie geäußert.
Axel Troost (Linkspartei) kritisierte, dass sich Bankenaufsicht und Finanzressort nicht rechtzeitig mit dem Durchspielen von Risikoszenarien auf krisenhafte Situationen wie bei der HRE vorbereitet hätten. Dazu erklärte Asmussen, in solche Übungen hätte man einen Fall wie das Lehman-Fiasko gar nicht einbeziehen können, da dies nicht vorstellbar gewesen sei. Gerhard Schick von den Grünen stellte die Frage, wieso der deutsche Staat mit der Depfa, deren Schieflage in erster Linie das Desaster der HRE verursacht hat, eine irische Bank mit hiesigen Steuergeldern rette. Weidmann sagte dazu, mangels eines Privatkundengeschäfts sei die Depfa nicht unter den Schutzschirm des irischen Staats gefallen. Im Übrigen sei es bei der Stabilisierung der Depfa und damit der HRE darum gegangen, Geldanlagen in Deutschland zu sichern, so der Berater von Kanzlerin Angela Merkel.
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