Arbeitsvermittlung
Individuell und »passgenau« soll sie werden. Die Opposition bezweifelt das
Hinter einfachen Sätzen verbergen sich nicht immer einfache Wahrheiten: "Arbeitsmarktpolitik ist gut, wenn sie den Bürgern die Chance gibt, beim Wiedereinstieg in den Beruf optimal unterstützt zu werden", resümierte Arbeitsminister Olaf Scholz am 13. November im Bundestag. Verhandelt wurde in erster Lesung der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente ( 16/10810). Das Versprechen dahinter: Alles wird einfacher, übersichtlicher und flexibler.
Tatsächlich sieht der Entwurf vor, 27 der bisher 52 Instrumente zur Vermittlung und Eingliederung Arbeitsloser in den Arbeitsmarkt abzuschaffen. "Es geht darum, passgenau für jeden Arbeitssuchenden das Richtige zu tun", hob Scholz hervor. Für Kritiker wie die Gewerkschaften ist aber allein schon die Aufteilung arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen in zwei Rechtskreise, nämlich das Sozialgesetzbuch II und das Sozialgesetzbuch III zu umständlich. An dieser Aufteilung würde sich auch mit dem neuen Gesetz grundsätzlich nichts ändern, auch wenn einige Regelungen des SGB II (Arbeitslosengeld II) nun auch für Leistungsberechtigte nach SGB III (Arbeitslosengeld I) gelten und umgekehrt.
Olaf Scholz lobte in der Debatte vor allem den geplanten Rechtsanspruch auf eine Förderung für jene Jugendlichen und Erwachsenen, die ihren Hauptschulabschluss nachholen möchten. "Eine gute Ausbildung ist der beste Schutz gegen Arbeitslosigkeit", heißt es im Gesetzentwurf. Menschen ohne Schulabschluss sollen demnach einen Anspruch "auf Förderung der Vorbereitung auf den nachträglichen Hauptschulabschluss erhalten, wenn sie den Hauptschulabschluss voraussichtlich erreichen können". Jugendliche sollen diesen Abschluss aber nicht isoliert, sondern im Rahmen von "berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen" nachholen. Eine ähnliche Regelung ist für Erwachsene vorgesehen - bei ihnen soll der Abschluss "in der Regel mit beruflicher Weiterbildung verknüpft werden".
"Das ist ein Signal an die Gesellschaft, dass, wenn man sich bemüht, man auch etwas erreichen kann", verkündete Scholz just an dem Tag, an dem die Kultusminister der Länder ihre Pläne bekanntgaben, Hauptschulen bis auf weiteres nicht an den nationalen Bildungsstandards der allgemeinbildenden Schulen messen lassen zu wollen - die Bildungsgewerkschaft GEW sprach bereits von einem "Hauptschuldesaster".
Dirk Niebel, der arbeitsmarktpolitische Sprecher der FDP, war von diesem neuen Förderinstrument ebenfalls nicht überzeugt: Die Hoffnung, dass ein 47-jähriger Langzeitarbeitsloser durch das Nachholen des Hauptschulabschlusses bessere Jobchancen bekomme, sei "weltfremd".
Die SPD-Abgeordnete Katja Mast betonte hingegen die "Kultur der zweiten Chance". So werde auch die Bedeutung ausreichender Sprachkenntnisse stärker als bisher bei der Arbeitsvermittlung berücksichtigt. Menschen mit Migrationshintergrund und ohne ausreichende Sprachkenntnisse sollen, so sieht es der Gesetzentwurf vor, zur Teilnahme an einem Sprachkurs des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) verpflichtet werden.
Neben diesen Fördermaßnahmen rückt der Entwurf die Vermittlung Arbeitssuchender in den Mittelpunkt. Scholz kündigte nicht nur an, 1.000 zusätzliche Vermittler einzusetzen. Auch deren Handlungsspielraum soll künftig erheblich erweitert werden und mehr Flexibilität es ihnen ermöglichen, besser auf die individuellen Belange Arbeitsloser einzugehen.
"Wir wollen die Bundesagentur für Arbeit zu einem leistungsfähigen Dienstleister auf dem Arbeitsmarkt entwickeln", pflichtete der Unions-Abgeordnete Stefan Müller dem Minister bei. Eine zentrale Rolle in dem Konzept spielt das sogenannte Vermittlungsbudget für jeden einzelnen Arbeitslosen. Damit werden Leistungen zusammengefasst, die bislang in Einzelvorschriften geregelt sind und die Arbeitsaufnahme durch verschiedene Mobilitätshilfen (unter anderem Zuschüsse zu Bewerbungskosten, Fahrtkosten) unterstützen. Die Entscheidung, ob und in welcher Höhe diese Hilfen gewährt werden, liegt künftig allein beim Arbeitsvermittler, während vorher genaue Leistungsbestimmungen im Gesetz definiert waren. "Gefördert wird nur noch, wenn eine Aussicht auf Erfolg am Arbeitsmarkt besteht", sagte Müller. Kornelia Möller von der Linksfraktion konnte das nicht überzeugen. Sie bezeichnete die Pläne als "mit heißer Nadel gestrickt". Die Koalition habe sich lediglich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner geeinigt und die Chance vertan, wirkungsvoll gegen Langzeitarbeitslosigkeit vorzugehen. Brigitte Pothmer erkannte in dem Entwurf den "Geist einer tiefgreifenden Misstrauenskultur", der die Situation der SGB-II-Empfänger verschlechtere. So sei zum Beispiel die Regelung über die "weiteren Leistungen" gestrichen worden, obwohl sie eine der erfolgreichsten war.