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Fußball verbindet die Menschen, ist aber auch immer wieder Anlass für heftige Krawalle. DFB-Präsident Zwanziger fordert einen respektvolleren Umgang miteinander - auf und neben dem Platz
Das Bochumer Ruhrstadion am 8. November: Auf dem Rasen kämpfen die Spieler des VfL Bochum und des SV Werder Bremen um Bundesligapunkte. Oben auf den Rängen, in der Bremer-Fankurve kämpfen die Werder-Fans dagegen, dass Neonazis einer Organisation, die sich "Nordsturm Hansestadt Bremen" nennt, die Reichskriegsflagge und ein Plakat mit rechtsradikaler Aufschrift zeigen. Das Spiel endet 0:0. Und auf den Rängen gewinnen die wahren Fans gegen die Naziminderheit. Mit "Nazi raus!"-Rufen und unter Mithilfe der Polizei wird der rechtsradikalen Machtdemonstration am Vorabend des 9. November, 70 Jahre nach der Reichspogromnacht, Einhalt geboten.
Für ihr engagiertes Auftreten haben die Bremer Fans inzwischen landesweit Anerkennung erhalten. Auch Deutschlands höchster Fußballfunktionär, DFB-Präsident Theo Zwanziger, lobte das Verhalten der Anhänger. "Ich bin glücklich über die Zivilcourage der Fans", sagte Zwanziger anlässlich einer öffentlichen Anhörung des Sportausschusses zum Thema "Gewalt und Extremismus im Fußball" am 12. November. Der DFB setze bei seinen Bemühungen auf die Zusammenarbeit mit allen gesellschaftlichen Kräften, sagte Zwanziger und stellte zugleich fest: "Unsere Gesellschaft ist keine heile Welt." Es müsse darum gehen, den Umgang miteinander auf und am Fußballplatz "menschenwürdiger und respektvoller" zu gestalten. Wichtig sei dabei die intensive Zusammenarbeit mit Fanprojekten, denen er eine hohe Bedeutung attestierte: "Wenn es Fanprojekte nicht schon gäbe, müssten sie erfunden werden." Zwanziger räumte ein, dass es derzeit verstärkte Bestrebungen rechtsradikaler Gruppierungen gebe, Sportvereine für ihre Zwecke zu missbrauchen. Hier gelte es, entschiedene Gegenwehr zu leisten. Dass zu hören, freut auch Martin Endemann vom Bündnis Aktiver Fußballfans. Lange Jahre habe es niemanden gekümmert, dass in den Fankurven rechtextreme Gesinnungen vertreten waren. Das Engagement dagegen sei von den Fans ausgegangen. Auf die Geschehnisse von Bochum bezogen betont Endemann, es sei gut, dass der Verein Werder Bremen die Neonazis nun mit Stadionverboten belegen wolle. Bedenklich sei es jedoch, dass dies erst geschehe, nachdem die Bild-Zeitung diese Forderung erhoben hat. "Die Vereine reagieren immer erst, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist", kritisiert Endemann. Er habe die Bremer Verantwortlichen schon vor längerer Zeit auf die Verwurzelung eines Teils der Fans in Nazi-Kameradschaften aufmerksam gemacht. "Da hieß es immer: es liegen keine strafbaren Handlungen vor. Wir können nichts tun."
Etwas tun können die erwähnten Fanprojekte, von denen es 44 an 40 Standorten deutschlandweit gibt, sagt Michael Gabriel von der Koordinationsstelle Fanprojekte bei der Deutschen Sportjugend (KOS). Die KOS, so Gabriel, berät und begleitet im Rahmen des "Nationalen Konzepts Sport und Sicherheit" (NKSS) die Fanprojekte in Deutschland. Auch aus Sicht der Polizei haben diese Projekte eine hohe Bedeutung als Präventionsmaßnahme, bestätigt Polizeidirektor Andreas Piastowski vom Landesamt für zentrale Polizeiliche Dienste. Nicht zuletzt, weil die Erfahrungen gezeigt hätten, dass gewaltbereite und gewaltsuchende Fußballfans nicht von ortsansässigen Einrichtungen der Jugend- und Sozialarbeit erreicht würden. Dank der Fanprojekte und vieler anderer antirassistischen Initiativen der Fanszenen, so Michael Gabriel, könne man beim Thema Rassismus eine "grundsätzlich positive Entwicklung" in den ersten beiden Profiligen feststellen. Beim Fußball gewonnene Erfahrungen könnten sogar Vorbildcharakter für andere gesellschaftliche Bereiche erlangen - beispielsweise das Verbot, das Stadion mit der Modemarke "Thor Steinar" zu betreten, dass Rechtsextremen als Identifikationsmerkmal dient. Gabriel warnt jedoch zugleich davor, die Fanprojekte zu überfordern: "Wir dürfen nicht nach dem Motto verfahren: Fanprojekt gegründet - Problem gelöst."
Ungelöste Probleme mit Gewalt und (Rechts-)Extremismus gibt es derzeit auch und besonders im Amateur- und Jugendbereich. Da geht es insbesondere um Probleme zwischen unterschiedlichen ethnischen Gruppen. Viele Fußballvereine, so Michael Gabriel, seien im Umgang mit ethnischen Konflikten überfordert. Auch DFB-Präsident Zwanziger findet: "Interkulturelles Handeln ist bei vielen Ehrenamtlichen zu wenig ausgeprägt." Was also ist zu tun?
Erst einmal müssten erwachsene Sportler für die Jugendlichen ein gutes Vorbild sein, sagt Michael Vesper, Generalsekretär des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB). Aus eigener Erfahrung wisse er, wie es bei manchen Nachwuchsspielen zugehe. Dabei präge das schlechte Benehmen der Erwachsenen das Verhalten der Jugendlichen und Kinder. "Anti-Rassismus-Arbeit fängt in der E-Jugend an", sagt Vesper. Dass der sportliche Wettkampf eine Stellvertreterfunktion für den Kampf um soziale Anerkennung und Gleichbehandlung angenommen habe, hat der Soziologe Gunter A. Pilz von der Universität Hannover festgestellt. Trainer und Betreuer seien daher verstärkt gefordert, zu moderieren und zu integrieren. Sie dürfen mit dieser Aufgabe nicht allein gelassen werden, möchte man hinzufügen.