Ich bin ein Bauernkind: Schweine zu füttern oder Spargel zu verkaufen war für mich völlig normal", erzählt Gitta Connemann. Deutlicher könnte der Gegensatz zu ihrem heutigen Leben nicht sein: Gerade kommt die 44-jährige Arbeits- und Sozialexpertin der CDU mit dem Handy am Ohr aus dem Reichstag in ihr Büro zurückgeeilt. Eine Anfrage aus ihrem Wahlkreisbüro im ostfriesischen Leer beantworten, Infos für eine Bürgerversammlung einholen, jetzt ein Interview: Gitta Connemann nickt zur Begrüßung - noch immer telefonierend - und reicht ihrer Mitarbeiterin einige Unterlagen. Multitasking ist für die Bundestagsabgeordnete Alltag: Als sie sich setzt und ihr rosafarbenes Kostüm glättet, ist sie völlig konzentriert.
Die Gegensätze zwischen dem Leben in Ostfriesland, wo auch ihr Wahlkreis Unterems liegt, und Berlin scheint sie mühelos zu überbrücken. "Der Wahlkreis ist einfach mein Anker", sagt Connemann. 2002 zog sie erstmals in den Bundestag ein. Seitdem ist sie Mitglied in den Ausschüssen "Arbeit und Soziales" und "Kultur und Medien".
Dennoch lässt sie es sich nicht nehmen, in ihrer freien Zeit auf dem familieneigenen Bauernhof auszuhelfen. "Das erzeugt manchmal Erstaunen", lacht sie und erzählt, ein Kunde habe einmal ihren Vater angerufen, um ihm mitzuteilen, dass hinter dem Spargelstand eine Frau stünde, die aussähe "wie die Abgeordnete Connemann". Dass diese Frau tatsächlich die Abgeordnete sei, eben seine Tochter Gitta, habe ihr Vater ihm nur mit Mühe versichern können. Ihre Wurzeln betont Connemann nicht ohne Grund, denn schließlich hat ihre Herkunft sie auch als Politikerin geprägt. Wenn sie gerechte Bildungschancen fordert, dann weiß sie, wovon sie spricht: "Ich war eines von den plattdeutsch aufgewachsenen Dorfkindern, das Defizite im Hochdeutschen hatte, und auf dem Gymnasium plötzlich von einer exzellenten Schülerin ins hintere Drittel abrutschte", erzählt sie. Geld für Nachhilfestunden hatten die Eltern nicht - aber sie ermutigten sie. "Nur wer es nicht versucht, hat schon verloren" ist bis heute Motto und Ansporn für Connemann, die sich mit Extra-Jobs und BAföG das Jurastudium finanzierte.
Sehr prägend für die Arbeits- und Sozialpolitikerin war eine Lehre zur Schuhverkäuferin, die sie vor dem Studium als Orientierung absolvierte. "Ich habe erlebt, wie es ist, am unteren Ende der sozialen Kette zu stehen", sagt Connemann. Heute tritt sie dafür ein, "dass jeder, der arbeitet, ein Auskommen erhält, von dem er leben kann". Dass der gesetzliche Mindestlohn das richtige Mittel dafür ist, glaubt sie allerdings nicht: "Damit erreicht man nicht die, um die es auch geht - die Geringqualifizierten". Auch branchenbezogene Mindestlöhne hält die Abgeordnete für falsch: "Man kann Regionen wie München oder Ostfriesland nicht über einen Kamm scheren!" Sinnvoller findet sie einen Kombilohn, der es Arbeitslosen ermöglichen soll, auch Arbeit anzunehmen, deren Bezahlung auf dem Niveau staatlicher Leistungen liegt. Überhaupt ist die Frage der Betreuung von Arbeitslosen ein Thema, welches sie umtreibt: Dass der Modellversuch der Optionskommunen, für deren "Entfristung" Connemann lange stritt, weiterläuft, ist für sie ein Erfolg: "Es hat Vorteile, wenn Langzeitarbeitslose von der Kommune unmittelbar und nicht von der Arbeitsagentur betreut werden", sagt sie.
Den direkten Weg gehen, um etwas zu bewegen, ist auch Connemanns Devise: Als sie 1997 Gemeinderätin wird, kämpft sie für ein neues Jugendzentrum, weil das alte völlig marode ist. Lange tut sich nichts. Erst als Connemann den Gemeinderat in dem nahezu baufälligen Gebäude tagen lässt - ohne Heizung und Toilette - kommt Bewegung in die Sache: "Es war November und alle haben gefroren - aber geeinigt haben wir uns ganz schnell", erinnert sie sich. Heute ist der Neubau des Jugendzentrums für sie ein Beleg für die Gestaltungskraft der Politik: "Man kann mit seinem Anspruch, etwas zu bewegen, erfolgreich sein", sagt Connemann. Wenn aber der Glaube daran verloren gehe, könne man nichts mehr bewirken. "Das wäre der Zeitpunkt, wo ich aufhören müsste." Doch soweit ist es noch lange nicht: "Wer aufgibt, hat schon verloren", sagt sie energisch. Sandra Schmid z