Herr Präsident, am 10. Dezember jährt sich die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte zum 60. Mal. Wird dieser Tag auch in Ihrem Land begangen?
Ja, der Marokanische Menschenrechtsrat hat eine Reihe von Veranstaltungen organisiert. Wir, die Abgeordnetenkammer, planen gemeinsam mit der Universität in Rabat am 15. Dezember einen "Tag der offenen Tür" im Parlament. In Vorträgen und Workshops wollen wir uns mit der Entwicklung der universalen Menschenrechte beschäftigen.
Welche Gesetze sind aktuell in Planung, um die Menschenrechtssituation in Marokko zu verbessern?
Viele Gesetzesvorhaben wurden bereits verwirklicht: Die Gleichstellung von Mann und Frau oder das Verbot von Diskriminierung aufgrund von ethnischen oder religiösen Gründen. Derzeit sind wir dabei, ein Strafgesetz gegen häusliche Gewalt zu formulieren. Kurz vor der Verabschiedung steht ein Gesetz, dass die Situation der Haushaltshilfen verbessern soll: Wir wollen endlich Mindestalter, Arbeitszeit und Bezahlung der oft minderjährigen Haushaltshilfen regeln.
Die Todesstrafe wird in Marokko seit 1993 nicht mehr vollstreckt. Was spricht gegen ein endültiges gesetzliches Verbot?
Es gibt bei uns zum ersten Mal überhaupt eine gesellschaftliche Debatte über dieses Tabuthema. Das ist ein enormer Fortschritt. Anfangs gab es einen Aufschrei in der Bevölkerung: 'Was machen wir dann mit Kinderschändern und brutalen Mördern?', hieß es. Doch jetzt sind wir auf dem Weg hin zu einem Verbot. Die Diskussion ist eröffnet, aber reif dafür sind wir noch nicht.
Wie gehen Sie mit der Flüchtlingsproblematik in Ihrem Land um?
Wir arbeiten eng mit der EU zusammen, um der illegalen Einwanderung Herr zu werden. Aber wir können das Problem allein mit Repression nicht lösen. Es gibt Millionen von Menschen in Afrika, die vor Hunger, Krankheiten und der Ausbreitung der Wüste fliehen. Der einzige Weg, die Massenbewegung zu stoppen, ist, den Menschen eine Lebensgrundlage zu schaffen: Durch Mini-Unternehmen, neue Arbeitsplätze, Landwirtschaft.
Wie will Marokko die Westsahara-Frage lösen?
Wir haben eine Initiative in die Verhandlungen eingebracht, die als Lösung des Konflikts die Autonomie der Sahara-Provinzen vorsieht. Wir hoffen, dass es uns damit gelingt, einen Schlussstrich unter diesen über dreißigjährigen Konflikt zu ziehen. Selbstbestimmung ist sicher ein legitimes Anliegen, doch wir sind überzeugt, dass Zersplitterung nicht die richtige Lösung ist. Bislang gab es auch in der nunmehr fünften Verhandlungsrunde keine Annäherung. Marokko verfolgt einen dynamischen Verhandlungsansatz, die Gegenseite nur die Position der Unabhängigkeit.
Die Fragen stellte
Sandra Schmid.