Bundeswehr
Bundestag erhält keine weiteren Informationsrechte über geheime Einsätze
Einen Beweis für den Vorwurf, Murat Kurnaz sei im Januar 2002 von zwei Soldaten des Kommandos Spezialkräfte (KSK) im US-Gefangenenlager Kandahar in Afghanistan misshandelt worden, konnte der Verteidigungsausschuss nicht finden. Aber auch keinen Beweis dagegen. Der Ausschuss hatte sich im Oktober 2006 auf Antrag der CDU/CSU und der SPD gemäß Artikel 45a Absatz 2 des Grundgesetzes als Untersuchungsausschuss konstituiert, um die von Kurnaz erhobenen Vorwürfe zu überprüfen. Zudem sollte der Ausschuss klären, unter welchen Bedingungen das KSK von November 2001 bis November 2002 seine Einsätze im Rahmen der "Operation Enduring Freedom" (OEF) in Kandahar absolvierte. Am 4. Dezember beriet der Bundestag nun abschließend über den Bericht des Ausschusses ( 16/10650).
"Fest steht", so betonte Karl A. Lamers (CDU/CSU), der den Untersuchungsausschuss leitete, "dass letztlich der Beweis für eine Misshandlung von Murat Kurnaz nicht erbracht werden konnte." Dieser Sichtweise der Koalition hatten sich auch FDP und Bündnis 90/Die Grünen in ihren Minderheitenvoten zum Bericht angeschlossen. Für die Linksfraktion hingegen "spricht alles dafür, dass die von Murat Kurnaz vorgetragenen Vorwürfe stichhaltig sind", wie Paul Schäfer in der Debatte ausführte.
Unstrittig ist zwischen den Fraktionen, dass Kurnaz zu mehreren KSK-Soldaten in Kandahar Kontakt hatte, bevor er von den US-Truppen in das Gefangenenlager Guantanamo überstellt wurde. Wann und welche politischen Führungsstellen im Verteidgungsministerium über die Inhaftierung eines Deutschen beziehungsweise Deutschsprachigen - der in Bremen geborene Kurnaz ist türkischer Staatsbürger - informiert war, darüber konnte der Ausschuss keine Übereinstimmung finden.
Der Untersuchungsausschuss hatte diverse Defzite im Ablauf des KSK-Einsatzes festgestellt: Führungsmängel, erhöhter Alkoholkonsum und Spannungen innerhalb des Kontingentes. Für harsche Kritik bei der Opposition sorgte auch deshalb, dass die Kontrollmöglichkeiten des Parlaments über das Kommando Spezialkräfte nicht erweitert werden. Wie bisher werden nur die Vorsitzenden und ihre Stellvertreter sowie die Obleute des Auswärtigen und des Verteidigungsausschusses von der Bundesregierung über die geheimen Operationen der Elitetruppe informiert. Und dies auch nur, soweit dies ohne Gefährdung des Einsatzes und der Soldaten möglich ist. Dieses Verfahren, das seit Dezember 2006 probeweise praktiziert wurde, hat der Bundestag nun festgeschrieben. Einen entprechenden Entschließungsantrag ( 16/11230) der Koalition wurde gegen die Stimmen der Opposition angenommen. Die Grünen konnten sich mit ihrem Entschließungsantrag ( 16/11208), der weitergehende Informationsrechte fordert, nicht durchsetzen. Für die FDP erneuerte Elke Hoff die bereits 2002 erhobene Forderung nach einem eigenen Ausschuss für Auslandseinsätze.
"Nachholbedarf" bei der Vermittlung der parlamentarischen Kontrolle sehen Union und SPD allerdings in der Bundeswehr: "Bei der Vernehmung der Zeugen aus den Reihen des KSK", so ist im Untersuchungsbericht zu lesen, "war einer Vielzahl von Soldaten eine wenig verdeckte Ablehnung und ein Unverständnis über die Einmischung des Parlaments in die Angelegenheiten des KSK anzumerken."