WACHSTUMSPAKET
Die Konjunktur-Rezepte sind selbst in der Koalition umstritten
Der Weg für das Wachstumspaket der Bundesregierung ist frei. Nachdem der Bundestag die steuerrechtlichen Regelungen des Maßnahmenpakets "Beschäftigungssicherung durch Wachstumsstärkung" ( 16/10930, 16/11171) am 4. Dezember mit Mehrheit der Koalition gegen die Stimmen der Opposition gebilligt hatte, stimmte am 5. Dezember auch der Bundesrat zu. Doch verstärkt sich der Eindruck, dass dieses Paket angesichts der Produktionsrückgänge nicht die letzte Spritze zur Stärkung der Wirtschaft war. So erklärte bereits der wirtschaftspolitische Sprecher der Union, Laurenz Meyer: "Ich glaube, dass wir Anfang des Jahres sicherlich noch einmal in die Situation kommen werden, dass weitere Maßnahmen beschlossen werden müssen." Meyer dringt auf Steuersenkungen. Und CSU-Chef Horst Seehofer warnte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) davor, Steuersenkungen bis nach der Bundestagswahl im Herbst hinauszuzögern. Es müsse jetzt gehandelt werden, forderte der CSU-Politiker: "Nicht erst dann handeln, wenn es zu spät ist"
Mit dem Maßnahmenpaket werden Unternehmen ab 2009 durch eine befristete Wiedereinführung der degressiven Abschreibung entlastet. Handwerkliche Dienstleistungen können besser von den Steuern abgesetzt werden. Und beim Kauf von Neuwagen gibt es eine befristete Steuerbefreiung. In der Bundestagsdebatte wurde deutlich, dass die Wirksamkeit der beschlossenen Maßnahmen unterschiedlich bewertet wird. "Wir werden eine minimale Wirkung bei enorm hoher Neuverschuldung erleben", sagte der FDP-Abgeordnete Volker Wissing. Andere Länder würden die Menschen bei den Steuern entlasten, während in Deutschland abgewartet werde. Auch die Linksfraktion warf der Regierung vor, die Krise zu verschärfen. Axel Troost (Linksfraktion) schlug unter anderem eine Stärkung der Massenkaufkraft vor. Dies könne durch eine Anhebung des Arbeitslosengeldes II auf 435 Euro geschehen. Außerdem verlangte er ein Investitionsprogramm in Energie, Bildung und ökologischer Umbau.
Christine Scheel (Bündnis 90/Die Grünen) warf der Koalition vor, das "völlig falsche Signal" auszusenden. Zwar seien einzelne steuerliche Maßnahmen wie bei den Handwerkerleistungen gut, aber die "völlige Steuerbefreiung von Spritschleudern" nicht nachzuvollziehen. Doch auch innerhalb der SPD-Fraktion gibt es unterschiedliche Vorstellungen über geeignete Maßnahmen, um der Krise Herr zu werden. Die SPD-Abgeordnete Andrea Nahles hatte die Ausgabe von Einkaufsgutscheinen vorgeschlagen. In der Bundestagsdebatte wies der SPD-Abgeordnete Reinhard Schultz darauf hin, dass Gutscheine nichts bringen würden, da man keine Konsumkrise habe. "Deswegen rate ich dringend davon ab, solche Gutscheine in der gegenwärtigen Situation auszugeben", sagte Schultz. Der SPD-Politiker wandte sich auch gegen eine Absenkung der Mehrwertsteuer: "Das hilft uns überhaupt nicht weiter, weil es unsere Steuerbasis geradezu zerstört."
Der Vorsitzende des Bundestags-Finanzausschusses, Eduard Oswald (CDU/CSU) warnte davor, permanent unterschiedliche Vorschläge zu machen. Das würde die Menschen nur verunsichern. Auch Oswald wandte sich gegen Konsumschecks. "Effektlose Einmalzahlungen" hätten sich in den USA nur als Strohfeuer erwiesen. Oswald warb dafür, gezielt auf mehr Beschäftigung durch Wachstumsstärkung wie bei der Verbesserung der steuerlichen Absetzbarkeit von Handwerkerleistungen zu setzen. Auch der CDU-Abgeordnete Philipp Mißfelder warnte davor, sich gegenseitig mit Einzelvorschlägen zu überbieten. Entschließungsanträge der Opposition, die Änderungen am Wachstumspaket zum Ziel hatten, wurden von der Mehrheit der Koalitionsparteien zurückgewiesen. So wollten die Grünen ( 16/11210) die Kfz-Steuerbefreiung zu Gunsten einer ökologisch orientierten Lösung ändern. Die FDP-Fraktion ( 16/11209) hatte sich für Steuersenkungen ausgesprochen. Ebenfalls nicht durchsetzen konnte sich die Opposition mit zwei Entschließungsanträgen für einen besseren Schutz von Geldanlegern, die von der Koalitionsmehrheit im Bundestag am 5. Dezember zurückgewiesen wurden. Die Linksfraktion hatte sich für einen "Finanz-TÜV" ausgesprochen ( 16/11185), der alle Anlageprodukte prüfen solle. Schärfere Kontrollen durch die Aufsichtsbehörden hatte ein Antrag von Bündnis 90/Die Grünen ( 16/11205) zum Ziel. Das Maßnahmenpaket der Koalition wäre im Bundesrat beinahe noch angehalten worden. Mehrere Länder wollten den Vermittlungsauschuss anrufen, weil sie sich zu hoch belastet sahen. 39 Prozent der Lasten des Pakets muss der Bund tragen, während die Länder 61 Prozent zu schultern haben. Doch die Mehrheit der Koalition in der Länderkammer hielt.