Überzeugend
Tanja Dückers widerlegt ein Klischee
Unpolitisch soll sie sein, die Generation der heute Mitte-30- bis Mitte-40-Jährigen. Desinteressiert an aktuellen Diskursen, frei von gesellschaftlichen Utopien. Ein hedonistischer Haufen, der, im Wohlstand aufgewachsen, den Krieg nicht mehr erlebt und die politischen Grabenkämpfe der 68er nicht mehr nötig hat. "Generation Golf" taufte Florian Illies sie einst. Schwer, dieses Etikett wieder abzuschütteln.
Auch Tanja Dückers, Jahrgang 1968, gehört zu dieser so gescholtenen jungen Generation. Nur ist sie keine gefällige Popliteratin: In ihren Büchern und Essays geht es vielmehr um die Themen, die den Deutschen am meisten wehtun - um Verdrängung, Schuld und die Folgen der NS-Zeit. Und immer wieder: um den Umgang der Jüngeren mit der deutschen Vergangenheit und ihren Versuch, das Vergangene, aber nicht selbst Erlebte, zu begreifen.
All dies sind Themen auch in Dückers' neuestem Buch: Gerade erschien "Morgen nach Utopia", eine Essay- und Reportage-sammlung, in der die 39-Jährige gründlicher denn je mit der "Mär von den jungen unpolitischen Autoren" aufräumt und ihre Generation gegen den Pauschalvorwurf der politischen Ignoranz verteidigt. Streitbar und streitlustig im besten Sinne sind die Texte darin, sie alle sind das "Nebenprodukt" unzähliger Recherchen, die Dückers in den vergangenen Jahren bis nach Mittel- und Osteuropa, Israel und Südkorea geführt haben. In "Morgen nach Utopia" gibt es kurzweilige, liebenswürdige Reisereportagen, aber auch eine Reihe kritischer Beiträge, in denen Dückers mit Verve politische Debatten und Entwicklungen kommentiert.
Man kann an diesem Buch bemängeln, dass die Themenauswahl ein wenig zu kunterbunt ist und eine klare Linie vermissen lässt - die Bandbreite reicht von der Krakauer Dackelparade, über den 8. Mai 1945 bis hin zu Johnny Cash. Man kann auch kritisieren, dass die Sprache manchmal recht verquast daher kommt. Doch an einem Fazit kommt man nicht vorbei: Hier hat sich jemand Gedanken gemacht und Mut zur Meinung bewiesen. Dückers' Beobachtungen sind genau, ihre Analysen klug. Und nicht zuletzt sind sie überzeugend: Dass ihre Generation tatsächlich so unpolitisch ist, wie immer behauptet, will man nach der Lektüre des Buches nicht mehr uneingeschränkt glauben.
Morgen nach Utopia. Kritische Beiträge.
Aufbau-Verlag,
Berlin 2007; 227 S., 8,95 ¤