AGRARPOLITIK
Die EU korrigiert teure Fehlentwicklungen
Eine typische europäische Landschaft ist im Verschwinden begriffen, und kein Ökologe regt sich auf; im Gegenteil. Einst war es sozusagen das Herz der EU, die Gegend rund um die Milchseen, gelegen zwischen Butter- und Rindfleischbergen. Die sind schon trockengelegt oder abgetragen, und selbst die letzten Weinseen will Brüssel nun beseitigen. Seit Jahren ist die Europäische Union konsequent dabei, ihre Agrarpolitik grundlegend zu reformieren und Fehlentwicklungen aus 50 Jahren zu korrigieren.
Die Landwirtschaft war in der Gemeinschaftspolitik zentral. Im EWG-Vertrag von 1957 vereinbarten die sechs Mitgliedstaaten bereits die "Gestaltung einer gemeinsamen Agrarpolitik". Kurz nach dem Weltkrieg wurde die Versorgung mit Lebensmitteln noch nicht als garantiert angesehen, und die europäischen Regierungen hatten in Krisenzeiten steuernd in die Agrarmärkte eingegriffen. Da lag es nahe, auch im EG-Rahmen auf Interventionen zu bauen. Ergebnis waren die gemeinsamen Marktordnungen ab 1962. Schließlich gab es für 21 Produktgruppen Mechanismen, Regeln, Finanzierungsinstrumente, Beihilfe- und Ausgleichssysteme. Die Marktordnungen setzten den Markt faktisch außer Kraft - und machten damit die europäische Landwirtschaft zu einem geschützten Biotop. Um die Weltmarktpreise für Zucker oder Schweinefleisch mussten sich die Bauern nicht kümmern, weil sie Absatz- und Zahlungsgarantien hatten. Billigkonkurrenz aus Drittstaaten wurde künstlich verteuert. Im Zweifelsfall half Brüssel finanziell beim Export oder kaufte die Produktion auf. So entstand Überfluss, während anderswo Hunger herrschte.
Die EG-Staaten, allen voran Frankreich, das am stärksten von der gemeinsamen Agrarpolitik profitiert hat, ließen sich so die Kontrolle über einen früheren Schlüsselbereich der Volkswirtschaft abkaufen. In keinem anderen Politikfeld hat Brüssel mehr Macht und mehr Geld ausgegeben.
Erst unter dem Druck der Globalisierung begann langsam ein Umdenken. Die Kombination aus Überproduktion und Protektionismus wollten Amerikaner, Australier und Argentinier auf Dauer nicht hinnehmen - obwohl alle Industriestaaten ihre Landwirtschaft subventionieren, zum Nachteil der Dritten Welt. Bei den als Uruguay-Runde bekannten Verhandlungen über ein Zoll- und Handelsabkommen (GATT) musste die Gemeinschaft eine Reform ihrer Agrarpolitik zugestehen. Ab 1993 wurden die Produktionszuschüsse in Direktbeihilfen für Landwirte umgewandelt. Die "Agrarwende" von 2003 soll bäuerliche Einkommen und produzierte Mengen endgültig entkoppeln. Ab 2008 will die EU auf Druck vor allem der Briten versuchen, fortbestehende Subventionsmilieus zu beseitigen. Gelingt das, könnte es die agrarpolitische Landschaft noch einmal stark verändern.