TRANSPARENZ-INITIATIVE
Lobbyisten in Brüssel sollen ihre Einkünfte offenlegen - noch freiwillig
EU-Kommissar Siim Kallas hat am 21. März in Brüssel ein Register vorgestellt, das sich durchaus als "brisant" erweisen könnte, obwohl es erstmal ganz simpel klingt: Darin sollen sich künftig Lobbyisten eintragen. Die Teilnahme ist freiwillig. Wer sich allerdings dazu entschließt, muss seine wichtigsten Auftraggeber und Honorare offen legen. Sonst wird er wieder von der Liste gestrichen. Nach Schätzungen werben mehr als 15.000 Interessenvertreter in Brüssel um die Aufmerksamkeit von Kommissionsmitarbeitern, EU-Abgeordneten oder Ratsvertretern. Die Internet-Liste soll den Meinungsbildungsprozess transparenter machen.
Einziger Anreiz für die Verbände, Denkfabriken und Politikberater ist der damit verbundene Status. Nur wer auf der Liste steht, darf sich an Anhörungen und Gesetzeskonsultationen, die großen Einfluss auf den Gesetzgebungsprozess haben, beteiligen. Das bedeutet aber auch umgekehrt: Wer diesen Status nicht braucht, wird sich wohl kaum registrieren lassen. Die Übergänge sind fließend. Viele Einzelkämpfer sind als Journalisten akkreditiert und arbeiten gleichzeitig für Firmen oder Verbände. Der für Verwaltung und interne Organisation zuständige Kommissar Siim Kallas macht kein Geheimnis daraus, dass ihm eine gesetzlich bindende Regelung lieber gewesen wäre. Doch die Gesetze in den Mitgliedstaaten weichen stark von einander ab. Nur in Polen und Litauen gibt es eine Registrierungspflicht für Lobbyisten. "Wir müssten also eine sehr komplizierte Verflechtung von nationalem Recht und Gemeinschaftsrecht hinbekommen. Das wäre in der Amtszeit dieser Kommission nicht mehr zu schaffen", bedauert Kallas.
Im Frühjahr 2009 soll überprüft werden, ob die freiwillige Registrierung funktioniert. Sollte sich die Liste nicht füllen, müsste nach der nächsten Europawahl im Herbst 2009 ein Gesetz eingebracht werden. Dabei will die EU-Kommission dann eng mit den beiden anderen Institutionen Rat und Parlament zusammenarbeiten. Denn auch dort gehen Interessenvertreter ein und aus. Viele Europaabgeordnete beklagen sich darüber, dass sie von Lobbyisten regelrecht bedrängt werden, ohne deren Hintergrund und Auftraggeber genau zu kennen.
Eva Schriever, Vorsitzende des Deutschen Anwaltsvereins in Brüssel, hält denn auch die geplante Registrierung für "geradezu notwendig im Rahmen des Demokratieprinzips". An jedem Gerichtssaal sei eine Tafel angebracht, auf der die Interessenvertreter den Konfliktparteien zugeordnet werden - das dürfe für Rechtsanwälte im politischen Raum nicht anders sein. Der Inhalt von Beratungsgesprächen unterliege der Verschwiegenheitspflicht. Für Schriever ist die freiwillige Regelung der erste Schritt. "Wenn das nicht klappt, muss man eben ein Gesetz machen."
Problemfälle gibt es mehr als genug. Mitte Januar schrieb die Lobby-Kontrollorganisation Corporate Europe Observatory (CEO) einen offenen Brief an Energiekommissar Piebalgs. Sie wies ihn darauf hin, dass sein Berater Rolf Linkohr, ein ehemaliger EU-Abgeordneter, in Brüssel auch für Unternehmen der Atomwirtschaft tätig sei. Der Brief zeigte Wirkung. Linkohrs Vertrag wurde nicht verlängert.
Die EU-Kommission veröffentlichte daraufhin eine Liste mit allen 55 Sonderberatern, die für EU-Kommissare tätig sind. Auf dieser Liste fand CEO den Namen Etienne Davignon. Er sitzt im Vorstand des Energiekonzerns SUEZ, der in der Subsahara in die Wasser- und Elektrizitätsversorgung sowie die Müllbeseitigung investiert. Davignon berät gleichzeitig den Entwicklungskommissar Louis Michel - über die Rolle der Privatwirtschaft für die wirtschaftliche Entwicklung im südlichen Afrika. Davignon würde sich wohl niemals freiwillig in das neue Register aufnehmen lassen, da er sich gar nicht an Konsultationen zur Gesetzgebung beteiligen will. Dafür ist das offizielle Lobbybüro der Energiewirtschaft in Brüssel zuständig. Davignon nimmt zwar auch Einfluss auf Kommissionsentscheidungen und Gesetze - aber viel diskreter.
Greenpeace deckte kürzlich auf, dass drei Kommissionsmitarbeiter, die an der Chemikaliengesetzgebung mitarbeiteten, vorher auf der Gehaltsliste von Chemieunternehmen standen. Einer von ihnen ist inzwischen zum Europäischen Chemieverband CEFIC gewechselt. Auch bei solchen Interessenvermischungen hilft ein Register nicht - sei es nun freiwillig oder gesetzlich vorgeschrieben. Die europäischen Institutionen brauchen einen strikten Verhaltenskodex, der Quarantänezeiten bei Jobwechseln bindend vorschreibt. Für Kommissionsmitarbeiter gibt es zwar schon eine solche Regelung, sie wird aber offensichtlich nicht streng genug kontrolliert. Lobby-Kontrollgruppen, wie ALTER-EU, in der 140 Einzelorganisationen zusammengeschlossen sind, reagierten skeptisch auf die Transparenz-Initiative der Kommission. "Ein freiwilliges System wird kaum diejenigen anziehen, die ihre Aktivitäten und Finanzmittel nicht öffentlich machen wollen", heißt es in einer kritischen Stellungnahme. In einem nächsten Schritt will die EU-Kommission einen Verhaltenskodex aufstellen, den alle Lobbyisten unterschreiben sollen. Den kritischen Blick von Organisationen wie Transparency International oder CEO wird das aber nicht ersetzen können.