REchtsextremismus
Ein neues Programm der Bundesregierung will alte Stukturen verändern. Damit sind nicht alle einverstanden.
Wie die Stimmung gerade ist? "Darüber machen wir uns, ehrlich gesagt, keine Gedanken - wir versuchen einfach, mit unserer Arbeit weiterzumachen und hoffen, auf alles reagieren zu können, was in der nächs-ten Zeit an Anfragen kommt." Danilo Starosta, Jugendhilfecoach im Kulturbüro Sachsen, übt sich in Optimismus. "Wir haben nichts schwarz auf weiß, aber es gibt Signale, dass unsere Arbeit weitergehen könnte."
Die Leiterin der Netzwerkstelle Lichtenberg Eva Pransker ist etwas skeptischer. "Unserer Netzwerkstelle wurde in Aussicht gestellt, dass es weitergeht - aber viele andere Einrichtungen hängen derzeit in der Luft. Momentan können wir nur abwarten. Dass das nicht unbedingt motivationsfördernd ist, können Sie sich ja denken."
Eva Prasnker und Danilo Starosta sind zwei von vielen Beratern, meist Sozialarbeitern, die sich insbesondere im Osten Deutschlands in insgeamt fast 400 mobilen Beratungsteams, Opferberatungsstellen und Netzwerken für Opfer rechtsextremistischer Gewalt einsetzen. Zwischen 2001 und 2006 hat der Bund im Rahmen des Programms "Jugend für Toleranz und Demokratie" fast 4.000 Projekte und Initiativen gefördert - darunter die Teilprogramme "Civitas", "Entimon", "Xenos" und das Aussteigerprogramm "exit". Deren Förderung lief im Dezember 2006 aus. Am 1. Januar 2007 ist ein neues Bundesprogramm - unter fast gleichem Namen wie das alte - gestartet: "Jugend für Vielfalt, Toleranz und Demokratie - gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus". 19 Millionen Euro sind dafür jährlich vorgesehen. Gemeinsam mit den Kommunen und Landkreisen will der Bund damit lokale Strategien und Aktionspläne in kommunaler Verantwortung integrieren. Die Kommunen sollen Modellprojekte entwicklen und dafür Gelder beantragen.
Dabei nicht vorgesehen waren zunächst die mobilen Beratungsteams und Opferberatungsstellen, die sich allerdings in allen Evaluationen als außerordentlich erfolgreich erwiesen haben. Auf das Bekanntwerden dieser Pläne folgten massiver Protest der betroffenen Einrichtungen und kontroverse Diskussionen. Auf Druck der SPD wurde schließlich nachverhandelt - und am 21. März präsentierte ein Vertreter der Bundesregierung im Familienausschuss des Bundestags die Ergebnisse: Die Förderung wird um weitere 5 Millionen Euro aufgestockt.
Damit sollen bis Juni 2007 die mobilen Beratungsteams und Beratungsstellen finanziert werden. Ab 1. Juli 2007 treten an ihre Stelle so genannte Mobile Interventionsteams, die in Krisensituationen mit rechtsextremistischem Hintergrund "anlassbezogen, kurzfristig und zeitlich begrenzt" vor Ort Hilfe leisten sollen, so Sven-Olaf Obst, der im Familienministerium für das Programm zuständig ist. Neu ist, dass es diese mobilen Teams künftig nicht nur im Osten des Landes geben soll, sondern auch in den alten Bundesländern - und dass die Länder und Kommunen nun mit im Boot sind. Für die Bundestagsfraktionen ist das ein großer Pluspunkt des neuen Programms.
Niels Annen, der die Projektgruppe Rechtsextremismus des SPD-Parteivorstands leitet, wertet die Ergebnisse als großen Erfolg. "Es war nicht selbstverständlich, dass die 19-Millionen-Förderung weitergeht, noch weniger waren es die zusätzlichen 5 Millionen. Bei unserem Koalitionspartner herrschte ja keine allzu große Begeisterung darüber, das Programm fortzusetzen." Auch Monika Lazar, Sprecherin für Strategien gegen Rechtsextremismus für die Grünen, hält die Ausweitung der Interventionsteams auf das ganze Land für sinnvoll. "Viele Kommunen im Westen waren neidisch auf die Strukturen im Osten und hätten gern auf ähnliche Netzwerke zurückgegriffen."
Dennoch teilt sie die Befürchtungen vieler Berater, dass vieles von dem, was in den vergangenen Jahren aufgebaut wurde, jetzt wieder zunichte gemacht wird. "In der derzeitigen Konzeption ist eine kontinuierliche Arbeit nicht vorgesehen. Untersuchungen haben aber gezeigt, dass kurfristige Einsätze, wie sie jetzt geplant sind, schwierig und zum Teil sogar kontraproduktiv sind. So, wie es jetzt geplant ist, kommen die Teams quasi als Feuerwehr und ziehen sich nach drei Monaten wieder zurück."
Auch Diana Golze (Die Linke) hält die Konzeption für die Arbeit der Teams für unzureichend. "Ich bin selbst in meinem Wahlkreis mit rechtsextremistischen Angriffen konfrontiert worden: Viermal sind in meinem Wahlkreisbüro die Scheiben eingeworfen worden. Wenn es nicht unser Netzwerk vor Ort gegeben hätte, wäre ich in dieser Situation verrückt geworden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine wildfremde Truppe, die für drei Monate kommt und sich vor Ort nicht auskennt, mir die gleiche Sicherheit gegeben hätte."
Golze teilt die Angst vieler Berater, dass sie ihre bewährte Arbeit künftig nicht fortsetzen können, zumal sich nun alle 16 Bundesländer die 5-Millionen-Euro-Förderung teilen müssen, während vorher 2,3 Millionen Euro allein für den Osten zur Verfügung standen. Zudem ist die Förderung degressiv. Das heißt, dass der Zuschuss des Bundes in den kommenden Jahren auf maximal 200.000 Euro pro Bundesland sinken soll. Den Rest sollen die Länder und Kommunen aufbringen - die dafür aber zunächst einräumen müssten, dass sie ein Problem mit rechtsextremen Strukturen haben. Viele wollen das aus Imagegründen unbedingt vermeiden.
Einwände, die Sven-Olaf Obst nicht teilt. "Wir wollen die bisherigen Strukturen integrieren. Aber natürlich müssen wir an manchen Stellen schmaler fahren - in verschiedenen Regionen gibt es momentan einfach Doppelstrukturen, die so nicht aufrecht erhalten werden können." Von der Neustrukturierung erhoffe man sich einen "Wettbewerb der Konzepte".
Dass die Interventionsteams zeitlich befristet und nur mit konkretem Anlass tätig werden sollen, sei nur konsequent: "Beratung ist immer anlassbezogen und sie muss auch ein Ende haben. Das liegt in der Natur der Sache. Außerdem ist für die eigentlich dauerhafte Arbeit vor Ort nicht der Bund zuständig und kann dort keine Ersatzleistungen bringen." Der Bund finanziere zahlreiche weitere Programme, mit denen er die Demokratie stärken und langfristige Präventionsmaßnahmen gegen Extremismus entwickeln wolle. Das Auslaufen der bisherigen Förderung habe zudem "einen haushaltsrechtlichen Hintergrund: Der Bund darf nur modellhaft fördern."
Das betont auch Niels Annen. "Die Neuausrichtung wäre auch unter Rot-Grün gekommen und die Projekte hätten sich umstrukturieren müssen. Dass es Verärgerung über eine ganze Reihe unterschiedlicher Informationen gegeben hat, ist dennoch verständlich." Die SPD bemühe sich, allen Vereinen und Initiativen jede nur mögliche Hilfestellung bei dieser Neuausrichtung zu geben. Der Bundestag wird sich des Themas in den nächsten Wochen wieder annehmen: Auf den Beratungsplanungen des Familienausschusses stehen vier Anträge der Opposition ( 16/1498 , 16/1542 , 16/2779 , 16/4408 ), die die Zukunft der Beratungsteams zum Inhalt haben.
Für Diskussionsstoff ist dabei gesorgt: Nachdem am 21. März im Familienausschuss die Union schon betont hat, sie wende sich gegen "alle Formen des Extremismus" und nicht nur gegen den von rechts, hat auch der bayerische Innenminister Günter Beckstein gerade in einem Interview vor den Gefahren des Linksextremismus gewarnt. Für Niels Annen ist das eine "Gespensterdebatte", denn nach allen aktuellen Befunden sei eine "Bedrohung von links zur Zeit nicht vorhanden". Auch Monika Lazar stellt sich auf Auseinandersetzungen ein: "Wer sich mit dem Thema auskennt, weiß, dass seit 1990 mehr als 100 Menschen durch rechtsextremistische Angriffe zu Tode gekommen sind - und niemand durch linksextremistische."