Als ob die Uhr ein Vierteljahrhundert zurückgedreht worden sei, debattiert die deutsche Politik wieder "Nach"rüs-tungsfragen. Es geht um den von den USA geplanten Schutzschild gegen die nukleare Bedrohung unter anderem aus dem Iran. Den Anstoß für die Diskussion gab die Tatsache, dass das Weiße Haus das Projekt letztendlich ohne Konsultationen mit NATO und EU durchsetzen und die Stationierung der Raketen in Sondervereinbarungen mit Polen und Tschechien realisieren wollte. Die Berliner Politik hielt dagegen: Washington wurde vorgeworfen, Europa in einen alten und einen neuen Teil auseinanderzudividieren. Die Erinnerung an den US-Unilateralismus in Sachen Irak ist allzu frisch.
Die Debatte wirkt gleichwohl unangemessen emotional: Der Nuklearschutz wird in einem Jahrzehnt Wirklichkeit werden. Auch ist die Tatsache, dass es sich um gerade einmal zehn Abwehrraketen handelt, nicht Ausweis einer massiven Aufrüstung (die laute russische Rhetorik muss man nicht zum Nennwert nehmen), sondern eher eines angemessenen Schutzinteresses.
In die deutsche Debatte werden solch rationale Erwägungen nicht dringen. CDU und CSU wollen die in neuer Blüte stehenden bilateralen Beziehungen nicht gefährden, während die SPD aus der Infragestellung des Projekts neue Mobilisierung angesichts schwacher Umfragewerte ziehen will. Diese innenpolitischen Motivationen dürfen aber angesichts der Verantwortung der EU-Präsidentschaft nicht auf eine verantwortungsbewusste Berliner Politik durchschlagen.
Richtig ist aber auch: Das Ende des Kalten Kriegs befreit die Staatengemeinschaft nicht vor Überlegungen, wie man sich vor Überraschungen schützen kann. Das hat nichts mit Nachrüstung, wohl aber etwas mit Vorsorge zu tun.