Monatelang haben Arbeitsgruppen getagt und CDU/CSU und SPD miteinander gestritten. Nun sind die Vorarbeiten so weit gediehen, dass Arbeitsminister Franz Müntefering sein Konzept für den so genannten Niedriglohnbereich vorlegen kann. Wie immer der Kompromiss in der Koalition im Einzelnen aussehen wird, eines steht jetzt schon fest: Für mehr Menschen und Branchen werden Mindestlöhne gelten und es gibt einen gesellschaftlichen Konsens, dass Löhne von drei Euro oder vier Euro die Stunde auf Dauer nicht akzeptabel sind.
Eine große Mehrheit der Bürger befürwortet sogar einen bundesweit einheitlichen Mindestlohn.
Dahinter steht eine beachtliche Entwicklung. Die SPD hat lange Zeit nicht über Mindestlöhne geredet, weil die Gewerkschaften ihre Macht bei der Lohnfindung nicht aus der Hand geben wollten. Jetzt mussten sie zugeben, dass ihnen diese Macht in vielen Branchen und Regionen längst entglitten ist. Die Union wiederum stand unter dem Einfluss einer Mehrheit der Wirtschaftswissenschaftler, die Mindestlöhne generell mit Arbeitsplatzverlusten gleichsetzen. Deshalb wurde über einen Kombilohn nachgedacht, also eine Aufstockung von Niedrig-löhnen auf ein Niveau, das für den Lebensunterhalt in Deutschland reicht.
Die Tatsache, dass es Arbeitnehmer gibt, die trotz 40-Stunden-Woche nicht genug zum Leben haben, hat auch die Unionsparteien nachdenklich gemacht. Welches Modell auch immer gewählt wird: Die Bundesrepublik kommt einem allgemeinen Mindestlohn und damit der europäischen Normalität näher. Über die Stellung Deutschlands im internationalen Wettbewerb entscheiden am Ende ohnehin eher die Kosten hochproduktiver Industriearbeitsplätze und nicht ein Euro mehr oder weniger am unteren Ende der Lohnskala.