STEUERHINTERZIEHUNG
Steinbrücks Gesetzentwurf stößt auch beim Koalitionspartner auf Bedenken
Ouagadougou ist eine Millionenstadt in Westafrika und die Hauptstadt des Staates Burkina Faso, wie das frühere Obervolta heute heißt. Steuerflucht ist hier ein Fremdwort, das Land gehört zu den ärmsten Staaten der Welt. Dass die Stadt überhaupt diesseits von Afrika in einer Steuerdebatte eine Rolle spielt, geht auf Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) und dessen Hang zu locker gemeinten Sprüchen zurück, die aber inzwischen nicht nur Abgeordneten, sondern auch ausländischen Regierungen stark auf die Nerven gehen.
Nachdem Steinbrück auf die Frage, wen er zu einer Konferenz über Steuerhinterziehung einladen werde, neben der Schweiz, Liechtenstein, Österreich und Luxemburg auch Ouagadougou genannt hatte, empfahl ihm der Vorsitzende des Finanzausschusses im Bundestag, Eduard Oswald (CSU), in der Debatte am 7. Mai im Umgang mit befreundeten Ländern "sprachlich abzurüsten". Auch Manfred Kolbe (CDU) fragte Steinbrück, ob die Äußerung mit Ouagadougou wirklich nötig gewesen sei. Er empfahl, "moderat im Ton, aber hart in der Sache" zu bleiben. Die Regierungen von Luxemburg, der Schweiz und Liechtenstein hatten sich befremdet über Steinbrücks Bemerkung gezeigt. Aufgrund der internationalen Proteste reagierte die Bundesregierung. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) erklärte: "Ich war selbst in Ouagadougou. Mir wäre dieser Vergleich nicht eingefallen." Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte, wenn es zu Irritationen gekommen sei, werde sie alles daran setzen, sie schnell zu beseitigen.
Hermann Otto Solms (FDP) hatte die Verhältnisse in Ouagadougou recherchieren lassen und dabei kam heraus, dass Burkina Faso auf der "Schwarzen Liste" von Steueroasen, die von der OECD geführt wird, nicht zu finden ist. Dort steht nämlich, so der Befund des FDP-Politikers, gar kein Land mehr. "Sie machen ein Gesetz zur Bekämpfung von etwas, was gar nicht vorhanden ist", folgerte Solms und warf Steinbrück außerdem "Verbalradikalismus" vor.
Bei dem Gesetz handelt es sich um den von Union und SPD eingebrachten und vom Bundestag an die Ausschüsse überwiesenen Entwurf zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung ( 16/12852), mit dem die Koalition die Steueroasen austrocknen will. Steinbrück legte beeindruckende Zahlen vor, wie viel Geld öffentlichen Kassen durch die Flucht in Steueroasen entgeht. Weltweit seien das zwischen 2 und 12 Billionen Dollar, in Deutschland werde der Verlust des Staates auf 100 Milliarden Euro geschätzt. Zu Ouagadougou sagte Steinbrück zwar nichts mehr, aber er erklärte, es gebe Staaten, die deutsche Steuerzahler "vorsätzlich dazu einladen" würden, ihr Geld dorthin zu transferieren. Dies sei bei der Schweiz und Liechtenstein der Fall. Unterstützung fand Steinbrück bei Oskar Lafontaine, dem Chef der Linksfraktion. Dem ging der Entwurf sogar nicht weit genug. Lafontaine hat auch gleich noch eine neue Steueroase entdeckt: "Wir sind bei der Vermögensteuer und der Körperschaftsteuer eine Art Steueroase in Europa." Andere Länder seien dadurch gezwungen, Vermögende immer weniger zu besteuern. Jürgen Trittin (Bündnis 90/Die Grünen) verlangte eine Bundessteuerverwaltung, denn im Süden Deutschlands würden die Steuerbehörden Einkommensmillionäre nur lasch kontrollieren. Die "Steueroasen im eigenen Lande" müssten ausgetrocknet werden. Für Aufregung sorgte Trittin mit einer Bemerkung zu Verträgen mit den britischen Kanalinseln über die Vermeidung von Steuerflucht. Mit dem britischen Premierminister Gordon Brown "Steueroasen trockenzulegen, ist ungefähr so erfolgversprechend, als versuche man mit Berlusconi die Mafia zu bekämpfen".
Der Koalitionsentwurf sieht stärkere Mitwirkungspflichten von Steuerpflichtigen vor, die in Staaten Geschäfte machen, die die Standards der OECD über den Informationsaustausch in Steuersachen nicht einhalten. Verweigert der Steuerpflichtige die geforderten Angaben, kann ihm zum Beispiel der Betriebsausgabenabzug versagt werden.
Steuerpflichtige, deren Überschusseinkünfte mehr als 500.000 Euro im Jahr betragen, müssen in Zukunft die Unterlagen über Einnahmen und Werbungskosten sechs Jahre lang aufbewahren. Bei diesen sollen die Finanzbehörden auch Außenprüfungen vornehmen können. "Einer besonderen Begründung der Prüfungsanordnung bedarf es nicht", heißt es im Gesetzentwurf.
Bei Steuerpflichtigen, die sich nicht an die Aufbewahrungspflichten halten, wird "widerlegbar vermutet", dass die Einkünfte in Steueroasen höher als die erklärten Einkünfte sind. Die erweiterten Mitwirkungspflichten sollen aber nicht mit dem Gesetzesbeschluss in Kraft treten, sondern erst bei Bedarf mit einer Rechtsverordnung, der der Bundesrat zustimmen muss. Ob der Entwurf so durch den Bundestag kommen wird, ist unsicher: Oswald sagte: "Wir werden es keinesfalls zulassen, das ein Unternehmer, der mit dem Ausland Geschäfte macht, schon allein deswegen unter den Verdacht der Beihilfe zur Steuerhinterziehung gestellt wird."
Der Bundestag nahm einen Antrag von Union und SPD ( 16/11389) zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung bei Enthaltung der Oppositionsfraktionen an. Keine Mehrheit fanden dagegen diverse Anträge der Opposition ( 16/11734), 16/9836, 16/9479, 16/9166, 16/9168).