ALBANIEN
Das Land wählt am 28. Juni ein neues Parlament. EU fordert freie und faire Wahlen
Wenn das Balkanland Albanien am 28. Juni über ein neues Parlament abstimmt, interessiert die EU vor allem eines: Laufen die Wahlen des EU-Aspiranten frei und fair ab oder nicht? Die Wahlen gelten als "Europa-Lackmustest" für Albanien. Helmut Lohan, Botschafter der EU-Kommission in Tirana, sprach von einer "wichtigen Prüfung für die Regierung und für die albanische Politik".
Seit der demokratischen Wende von 1991 war Albanien noch nie in der Lage, freie und faire Wahlen nach internationalen Standards abzuhalten - stets trübten Gewalt und Unregelmäßigkeiten das Bild. Auch diesmal wurden im Vorfeld der Wahlen ein Abgeordneter und ein Aktivist erschossen.
Knapp 3.1 Millionen Albanerinnen und Albaner haben das Recht, die Mitglieder des 140-köpfigen Parlaments zu bestimmen. Sie können aus 4.000 Kandidaten auswählen, die 39 Parteien und Koalitionen vertreten. Unabhängige Vorwahl-Umfragen gibt es nicht - das Rennen ist völlig offen. Wer abstimmen will, muss einen gültigen Pass oder den erst vor kurzem eingeführten neuen Personalausweis vorzeigen. Die Opposition beklagte, die Regierung verzögere die Ausgabe der Ausweise und hindere damit möglicherweise Zehntausende daran, an der Wahl teilzunehmen.
Albanien, das sich 1990 von einer jahrzehntelangen kommunistischen Diktatur stalinistischer Prägung befreit hatte, wird seit den letzten Parlamentswahlen vom Juli 2005 von einer Mitte-Rechts-Koalition unter Führung von Premier Sali Berisha (65) regiert. Berisha, Gründer und bis heute Vorsitzender der Demokratischen Partei, hatte maßgeblich zum Sturz des kommunistischen Regimes beigetragen und war von 1992 bis 1997 erster frei gewählter Staatspräsident Albaniens. Die Sozialisten - hervorgegangen aus der früheren kommunistischen Arbeiterpartei - begannen sich nach ihrer Wahlniederlage vor vier Jahren neu aufzustellen und machten Edi Rama (45), den populären Bürgermeister von Tirana, zu ihrem Parteivorsitzenden. Der Künstler, hat aus dem einst chaotischen und grauen Tirana eine boomende Metropole gemacht, was ihm über die Landesgrenzen hinaus Anerkennung einbrachte.
Die bedeutendsten Resultate der vierjährigen Regierungszeit von Sali Berisha sind die Unterzeichnung eines Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens (SAA) mit der EU und der Nato-Beitritt Albaniens Anfang April: "Das ist die größte Errungenschaft meines Landes nach der Unabhängigkeit", verkündete der Ministerpräsident kürzlich in dieser Zeitung stolz. Getragen von diesem Erfolg überreichte der Regierungschef Ende April der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft gleich auch noch das EU-Beitrittsgesuch, obwohl sich die meisten EU-Länder klar gegen ein Beitrittsgesuch zum jetzigen Zeitpunkt ausgesprochen hatten. Sie halten Albanien noch längst nicht reif für die EU - zu stark hat das Land mit Korruption und mangelnder Rechtsstaatlichkeit zu kämpfen.