LOBBYISMUS
Experten fordern gesetzliche Übergangsregelung für ausscheidende Minister
Die prominentesten Fälle sind sicher die der letzten beiden Kanzler Schröder und Kohl. Nur ein knappes halbes Jahr nach dem Ende seiner Kanzlerschaft unterschrieb Gerhard Schröder im März 2006 einen Beratervertrag für den russischen Energiekonzern Gazprom. Helmut Kohl wiederum stand gegen üppige Bezahlung dem Medienunternehmer Leo Kirch als Berater zur Verfügung. Aber auch Minister, Staatssekretäre und Spitzenbeamte erscheinen nach dem Ausscheiden aus der Politik vielfach auf dem Lohnzettel privater Unternehmen.
Dabei könne oft der Anschein nicht vermieden werden, dass es "einen Zusammenhang zwischen im Amt getroffenen Entscheidungen und der aufgenommenen Tätigkeit gibt", wie es Jochen Bäumel von Transparency Deutschland während einer Anhörung des Innenausschusses am 15. Juni zum Umgang mit Lobbyismus sagte. Deshalb befürworten Experten eine gesetzliche Regelung des Übergangs ausscheidender Minister und Staatssekretäre in Unternehmen. Ein "freiwilliger Verhaltenskodex", so ihre Einschätzung, reiche nicht aus.
Bäumel plädierte für eine Karenzzeit von drei Jahren zwischen dem Ausscheiden aus dem Dienst und der Aufnahme einer Tätigkeit, die in Zusammenhang mit dem früheren Amt steht. Vergleichbare Regelungen gebe es bereits für Beamte, Richter und Soldaten, sagte er.
Während es Beamten grundsätzlich untersagt werden kann, bis zu fünf Jahren nach dem Ausscheiden eine solche Beschäftigung aufzunehmen, gebe es bei leitenden Beamten, die um ihre Entlassung ersucht haben um eine neue Tätigkeit aufzunehmen, eine "Regelungslücke", sagte der ehemalige Staatssekretär Johann Hahlen. Auf das Problem dieser "herausgekauften" Beamten verwies auch der Staatsrechtler Ulrich Battis von der Humboldt-Universität Berlin. Wer ohne Ansprüche auf Versorgungsbezüge ausscheide, falle nicht mehr unter das Beamtenrecht. Daher sollte auch bei diesen Fällen eine Karenzzeit gelten. Dies sollte ausdrücklich nicht für parlamentarische Staatsekretäre gelten, die wie ganz normale Abgeordnete zu behandeln seien und ihren Beruf ausüben dürfen, sagte Battis. Dem widersprach Hans Meyer, Leiter der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität. In beiden Fällen müsse es eine Karenzzeit von zwei Jahren geben, sagte er.
Dass es derzeit eine Karenzzeitregelung in Deutschland nicht gebe, sei ein "deutscher Sonderweg", sagte der Reporter des Magazins "Stern", Hans-Martin Tillack. Laut OECD sei die Übergangsregelung umso wichtiger, je höherrangig ein Amtsträger ist. In Deutschland sei dies genau anders herum, kritisierte Tillack.