NAHOST
Bisher ist unklar, ob die Wahlen im Januar stattfinden
Palästin enserpräsident Mahmud Abbas hat als Redner einen sehr schlechten Ruf in den Palästinensergebieten. Am 11. November bestätigte er mal wieder die schlimmsten Erwartungen der wartenden Menge. Unbeweglich und mit monotoner Stimme las der Präsident seine Rede ab, die Kritiker als viel zu lang und unerträglich langweilig beurteilten. Die ersten Zuhörer gingen bald, andere zündeten sich Zigaretten an oder spielten mit ihren Mobiltelefonen. In diesem Moment muss die Menge den vor fünf Jahren verstorbenen Jassir Arafat besonders schmerzlich vermisst haben. Denn Arafats Aussagen waren zwar teilweise heftig umstritten, aber er hatte das unbestreitbare Talent, Menschenmengen mit seinen Reden zu begeistern. Abbas hämmerte hingegen keine rhythmischen Slogans von Blut und Märtyrern in die Menge, sondern sprach stundenlang von einem Friedensprozess, an den viele der Zuhörer längst nicht mehr glauben.
Dabei hatte sich die Kundgebung vor der Mukata, seinem Amtssitz in Ramallah, für Abbas gut angelassen. Aus der Gedenkveranstaltung zum fünften Todestag Arafats wurde eine Demonstration zur Unterstützung des heutigen Palästinenserpräsidenten. Ein Großteil der politischen Elite des noch immer nicht existierenden Staates Palästina war gekommen. Ein Redner nach dem anderen forderte Abbas auf, bei den für den 24. Januar ausgerufenen Parlaments- und Präsidentenwahlen doch für eine zweite Amtszeit zu kandidieren. Zuvor hatte er angekündigt, nicht mehr antreten zu wollen. Viele fragen sich längst, ob Abbas es damit jemals ernst gemeint hat. Der Präsident sagte dazu in seiner Rede nur, er werde in der Zukunft schwierige Entscheidungen treffen. Darüber hinaus wollte er sich zu der Frage nicht äußern. Eigentlich hat Abbas nichts anderes getan, als seine Teilnahme an einer Wahl abzusagen, von der sowieso niemand geglaubt hatte, dass sie stattfinden würde - die im Gazastreifen herrschende islamistische Hamas hatte angekündigt, den Urnengang zu verhindern. So ist mittlerweile aus der Palästinenserbehörde auch zu hören, die geplante Wahl würde abgesagt und Abbas werde aufgrund der Zweiteilung des Palästinensergebietes ohne demokratisches Mandat auf unbestimmte Zeit weiter sein Amt ausüben. Außerdem habe Abbas mit Israel nicht als Präsident der Autonomiebehörde verhandelt, sondern als Chef der PLO, von diesem Amt wollte er nie zurücktreten. So sollte die Ausrufung der Wahlen für Januar die Hamas wohl dazu bewegen, sich flexibler zum Friedensprozess zu stellen. Abbas' Rückzugsdrohung sollte Druck auf Washington erzeugen, damit US-Präsident Barack Obama Israel zu einem Siedlungsstopp bewegt.
Bisher ist das Kalkül in beiden Fällen nicht aufgegangen. Die extremen Mittel, zu denen Abbas greift, zeigen nur, für wie aussichtslos der Präsident seine Lage hält. Wieder einmal scheinen Israelis und Palästinenser heute vor allem darüber zu verhandeln, wann und unter welchen Umständen man zu verhandeln beginnen könnte. Beide Seiten versuchen bei diesem Ping-Pong-Spiel mit allerlei Taschenspielertricks, sich gegenseitig den Schwarzen Peter zuzuschieben.