UNtaugliche Studie
Juden und Muslime als Feindbilder
Die Erlangerin Sabine Schiffer hat es in in den vergangenen fünf Jahren zu einiger Bekanntheit gebracht: als Expertin für die Darstellung des Islam in den Medien. Die Sprachwissenschaftlerin war eine der ersten, die monierten, wie uninteressiert deutsche Medien auf den islamfeindlich motivierten Mord an der Ägypterin Marwa El-Sherbini in Dresden reagierten, der in den vergangenen Tagen die Weltpresse beschäftigte.
Nach ihrer 2004 veröffentlichten Dissertation "Die Darstellung des Islams in der Presse" packt Schiffer in ihrer zweiten Arbeit erneut ein heißes Eisen an. Ihr gemeinsam mit Constantin Wagner verfasstes Buch "Antisemitismus und Islamophobie - ein Vergleich" greift die erbittert geführte Auseinandersetzung um die Vergleichbarkeit von Antisemitismus und Islam-Feindlichkeit auf. Im Dezember 2008 hatte das Berliner Zentrum für Antisemitismusforschung eine Tagung zum Thema "Feindbild Muslim -Feindbild Jude" veranstaltet. Doch der Vergleich verursachte Proteststürme. Die Kontroverse fand allerdings nicht in wissenschaftlichen Zirkeln, sondern in den Medien statt. Angeführt wurde das Dauerfeuer gegen die Berliner Forscher vom einflussreichen Autorenblog "Die Achse des Guten", dessen von zahlreichen Publikationen Henryk M. Broders angeführte aggressive Kritik am Islam längst in offene Islamfeindschaft mündet.
Die Deutungshoheit dieser Meinungskartelle in deutschen Medien hat schon viele Autoren beschäftigt. Zuletzt entlarvte Peter Widmann mit Klaus-Peter Raddatz einen der wissen- schaftlichen Stichwortgeber der Islam-Kritiker als wissenschaftlich überhaupt nicht ausgewiesen. Aus Widmanns kritischer Bestandsaufnahme ergibt sich das Bild einer Agitationsszene, deren Akteure die Pseudo-Seriosität ihrer Argumente durch gegenseitige Seriositätsbezeugungen generieren.
Schiffer und Wagner gehen noch weiter und behaupten, diese Szene schüre Fremdenfeindlichkeit. Statt allerdings Strukturen und Mechanismen aufzuzeigen, fahren die Autoren seitenlange polemische Attacken. Namen und vermeintliche Verbindungen werden aneinandergereiht, leider aber ausnahmslos versäumt, zu belegen, welche Äußerungen die Verbalattacken begründen. Die bloße Zugehörigkeit zu konservativen Organisationen reicht den Autoren, um ihr Verdikt zu erteilen. Hinzu kommt eine beachtliche Affinität zu linken Verschwörungstheorien.
Es gibt keinerlei Systematik, keine Methode und keine Beweisführung. Statt Forschungsstände zu reflektieren, referieren die Autoren eigene Erkenntnisse, die sich bei näherer Betrachtung viel zu oft als Missverständnisse oder gleich als blanke Vorurteile entpuppen. Einen pseudowissenschaftlichen Ton generiert man ganz ungeniert durch Zitate aus Lexika und Rekurse auf populärwissenschaftliche Bücher. Rassismus und Antisemitismus werden anhand von Brockhaus-Einträgen diskutiert. Die Arbeit erfüllt nicht einmal formal wissenschaftliche Standards. Seitenangaben werden in den Fußnoten einfach weggelassen. Stichproben ergeben, dass die behaupteten gleichlautenden Befunde anderer Autoren in deren Texten nicht zu finden sind. Geradezu grotesk wird es, wenn im Text wörtlich zitiert wird und in der Fußnote darauf verwiesen wird, es sei sinngemäß und nicht nicht wörtlich zitiert worden - und sich bei einem Vergleich von Zitat und sinngemäßer Übertragung auch noch heraus stellt, dass die Autoren den Sinn des Originalzitats entweder nicht verstanden haben oder aber bewusst für ihre Zwecke zurecht bogen.
Als promineter Kronzeuge für die eigenen Thesen zitieren die Autoren den Politikwissenschaftler Herfried Münkler. "Selbsternannte Islamismusexperten", "Schmalspurorientalisten", "Spin-Doktoren" und "PR-Manager" wollten mit einer völlig abwegigen Verwendung von dessen Thesen zur Asymmetrie von "den wahren Schuldigen" für "die asymmetrische Weltordnung" ablenken. Denn: "Hochgerüstetete, gut organisierte Staaten, verbündet mit den Interessen großer Konzerne, geben den Ton an." Die Bezeichnung "asymmetrischer Krieg" werde "zunehmend zur Rechtfertigung des militärisch-hochgerüsteten ,Kriegs gegen den Terror' verwendet, als wären die Gegner in der Übermacht". Herfried Münckler habe "diese Missdeutung" auf den Punkt gebracht, als er sagte: "Wir brauchen keine Selbstmordattentäter, wir haben Technologie." Nur: Münkler hat das nie so gesagt und auch nicht sinngemäß gemeint. Ganz im Gegenteil hat er den Begriff Asymmetrie in die Diskussion um die Sicherheitspolitik eingebracht. Durch Bombenattentate auf die Zivilbevölkerung würden die hochgerüsteten Armeen strategisch umgangen, seien also wirkungslos. Münkler hat sich inzwischen die sachlich falsche Darstellung auch verbeten.
Das Buch entpuppt sich als Gegenstück zur pseudo-wissenschaftlichen Propaganda der Islam-Kritiker. Tatsächlich stehen die in dem Band angehäuften Ressentiments und Fehlinterpretationen für eine linke Szene, deren Unversönlichkeit dem rechten Agitationsnetzwerk in nichts nachsteht. Die Frage ist, ob die Medien, die den Agitatoren als Transportmittel dienen, bereits Bestandteile der jeweiligen Netzwerke sind. In den USA ist es selbstverständlich und gefordert, dass Wissenschaftler renommierter Forschungseinrichtungen sich an öffentlichen Debatten beteiligen. Man kann nur hoffen, dass künftig auch hierzulande wieder mehr echte Experten zur differenzierten Betrachtung beitragen.
Antisemitismus und Islamophobie - ein Vergleich.
HWK Verlag, Wassertrüdingen
2009;
260 S., 24,80 ¤