SÜDAFRIKA
Die Probleme der Minenstadt Rustenburg
Es ist noch nicht lange her, dass auf den staubigen Straßen der südafrikanischen Minenstadt Rustenburg Luxuskarossen herumfuhren. Die Stadt erlebte dank des Rohstoffbooms in den vergangenen Jahren einen rasanten Wandel. Sie wuchs schneller als jede andere Stadt in Südafrika. All dies war einem Schatz geschuldet: Platin. In der Erde unter Rustenburg ruhen mehr als drei Viertel der Platinvorkommen der ganzen Welt. Als der Platinpreis Mitte 2008 auf mehr als 2.000 Dollar je Feinunze schnellte, arbeiteten sämtliche Förderer in der Gegend auf Hochtouren.
Der Boom gehört der Vergangenheit an. In Rustenburg herrscht wieder Arbeitslosigkeit. Bisher fielen 30.000 Stellen in Südafrikas Minenindustrie weg. Allein "Anglo Platinum", der größte Platinförderer der Welt, will 12.000 Arbeiter entlassen. Die Nummer drei am Markt, "Lonmin", kündigte 4.000 Beschäftigten, die meisten davon leben in der Rustenburger Umgebung.
Die Wirtschaftskrise hat Südafrikas Bergbauindustrie hart getroffen. Man richte sich auf "Blut, Schweiß und Tränen" ein, beschrieb "Lonmin"-Chef Ian Farmer unlängst die Stimmung in der Branche. Der Verfall der Rohstoffpreise und der Rückgang der Exporte setzen dem wichtigsten Wirtschaftszweig schwer zu. Zuvor stark nachgefragte Bodenschätze wie Kupfer, Eisenerz, Platin oder Nickel verbilligten sich 2008 innerhalb kürzester Zeit um bis zu 70 Prozent. Auch die Preise für Diamanten sanken - zum ersten Mal seit zehn Jahren. Da sich die Förderung zu diesen Preisen nicht lohnt, kürzten die Konzerne Investitionen, legten Bergwerke zwischenzeitlich still und entließen Mitarbeiter. Der Diamantenkonzern "De Beers" beispielsweise strich vier von zehn Arbeitsplätzen in Südafrika.
Die meisten Rohstoffpreise haben sich zwar wieder erholt, auch wenn sie noch weit unter den einstigen Höchstständen liegen. Südafrikas Minenunternehmen jedoch profitieren davon nur wenig, denn gleichzeitig ist die Landeswährung Rand gegenüber Dollar und Euro stärker geworden. Die Konzerne erzielen ihren Umsatz in Dollar, die Produktionskosten aber fallen in Rand an. Auch die Rohstoffnachfrage nimmt nur langsam zu. Die wichtigsten Exportgüter Südafrikas - Platin, Gold und Diamanten - werden ausgerechnet in Branchen benötigt, die unter der globalen Rezession besonders leiden: in der Schmuck- und der Autoindustrie.
Allein der globalen Rezession sind die Schwierigkeiten von Südafrikas Minenunternehmen indes nicht geschuldet. In der Heimat stiegen gleichzeitig die Förderkosten kräftig. Der staatliche Stromversorger "Eskom" beispielsweise hat die Energiepreise in diesem Jahr um mehr als 30 Prozent in die Höhe geschraubt, weil das Land seit Jahren unter akuter Stromknappheit leidet.
Im vergangenen Jahr mussten mehrere Bergwerke deswegen tagelang geschlossen werden. "Wir haben die Strom-Engpässe noch lange nicht behoben. Wenn die Wirtschaft nicht in einer Rezession stecken würde, müssten wir den Strom wieder abschalten", sagt Energieministerin Dipuo Peters.
Mehr Grund zur Freude sollten Südafrikas Goldschürfer haben, weil Gold in Krisenzeiten stark nachgefragt wird. In den Unternehmenszentralen jedoch hält sich der Jubel in Grenzen. Südafrika, einst wichtigster Goldproduzent der Welt, rangiert nur noch an dritter Stelle auf dem Weltmarkt, hinter China und den USA.
Die Schätze, die vor gut hundert Jahren einen Goldrausch ausgelöst haben, gehen zur Neige. Minenunternehmen wie "Anglo Gold Ashanti" müssen heute in vier Kilometer Tiefe vorstoßen, um sich eine Ausbeute zu sichern. In keinem anderen Land der Welt gibt es so tiefe Goldminen wie in Südafrika - und so gefährliche. Aus Sicherheits- und Kostengründen wird daher in vielen Minenschächten nicht mehr gefördert.
Besonders schwerwiegend ist die Rohstoffkrise für die Minenarbeiter und ihre Familien. Von einem Lohn werden in Südafrika bis zu zehn Menschen ernährt. Wie der Rest des Landes setzt nun die Stadtverwaltung von Rustenburg auf die Fußballweltmeisterschaft 2010 als Konjunkturprogramm.
Die Stadt gehört zu den Austragungsorten der WM. Von der Minenstadt soll sich Rustenburg zu einem Anziehungspunkt für Touristen mausern. Dem Stadtbild ist das allerdings noch nicht anzusehen. Monica Hlalele aus einem nahegelegenen Dorf klagt, dass Alkoholmissbrauch und Kriminalität ständig zunehmen. "Der Druck ist einfach zu groß", sagt sie, "hier gibt es ja sonst nichts. Was sollen die Männer auch anderes tun als trinken und darauf warten, dass es endlich wieder aufwärts geht?"
Die Autorin berichtet für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" aus Johannesburg.