Über das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu der von der Regierung verfügten Beschränkung der Informationsweitergabe an den BND-Untersuchungsausschuss, die von Karlsruhe als zu restriktiv und als grundgesetzwidrig eingestuft worden ist, und die Konsequenzen dieser Entscheidung für die parlamentarische Arbeit debattiert der Bundestag am Mittwoch, 26. August 2009, ab etwa 14.45 Uhr. Die einstündige Debatte wird live im Parlamentsfernsehen und im WebTV übertragen.
Zuvor stimmt die Volksvertretung ohne Aussprache über einen Antrag der FDP ab, der die Regierung auffordert, die bislang zurückgehaltenen Unterlagen unverzüglich an die fünf Fraktionsobleute im Ausschuss zu übergeben. Zur Diskussion im Plenum steht zudem ein weiteres Urteil des Verfassungsgerichts, das ähnlich wie im Falle des BND-Ausschusses die bisherige Praxis der Regierung bei der Beantwortung parlamentarischer Anfragen zu geheimdienstlichen Themen kritisiert.
Aufgrund einer Klage der drei Oppositionsfraktionen FDP, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen hatte das Verfassungsgericht in einer am 23. Juli 2009 veröffentlichen Entscheidung (2 BvE 3 /07) festgestellt, dass die Regierung die Arbeit des BND-Ausschusses unzulässig behindert hat. Dem Gremium wurden Akten und Unterlagen ausgehändigt, die zum Teil unleserlich gemacht worden waren. Auch hatten Zeugen nur begrenzte Aussagegenehmigungen erhalten. Begründet hatte die Regierung diese Beschränkungen mit dem Hinweis auf den "Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung" oder das "Staatswohl".
Der Zweite Senat in Karlsruhe befand, eine solche pauschale Begründung sei nicht hinnehmbar: Die Regierung müsse die Zurückhaltung von Informationen im Einzelfall präzise, "substantiiert" und "nachvollziehbar" untermauern sowie gegen das Untersuchungs- und Informationsrecht des Parlaments abwägen. Es liege keine Gefährdung des Staatswohls vor, so die Verfassungsrichter, wenn Auskünfte zu "Unannehmlichkeiten" für Behörden führten. Dies sei vielmehr eine hinzunehmende Folge der Ausübung des parlamentarischen Untersuchungsrechts. Auch Erkenntnisse, die von ausländischen Geheimdiensten stammen, dürfen laut Karlsruhe dem Bundestag nicht ohne nähere Begründung vorenthalten werden. Für das Staatswohl sei nicht nur die Regierung, sondern auch der Bundestag verantwortlich, der seinerseits ebenfalls für die Geheimhaltung bestimmter Unterlagen sorgen könne.
Liberale, Linke und Grüne hatten die Informationspolitik gegenüber dem BND-Ausschuss in ihrer Klage als Behinderung der Aufklärungsarbeit kritisiert. Die Verfassungsrichter gaben den Beschwerdeführern weitgehend Recht. Das parlamentarische Gremium sollte die Rolle der seinerzeitigen Regierung und deutscher Geheimdienste im Anti-Terror-Kampf nach den Attentaten vom 11. September 2001 durchleuchten. Unter anderem ging es um den Einsatz des BND in Bagdad während des Irak-Kriegs im Frühjahr 2003, um die Entführung des Deutsch-Libanesen Khaled El-Masri nach Afghanistan durch US-Geheimdienste, um das mehrjährige Einsperren des Bremer Türken Murat Kurnaz in Guantanamo oder um die Inhaftierung des Deutsch-Syrers Mohammed H. Zammar in Syrien. Beispielsweise erfuhr der Ausschuss nichts über die Kommunikation des US-Hauptquartiers in Katar mit einem dort stationierten Verbindungsmann des BND während des Irak-Kriegs.
In einem am 30. Juli publizierten Urteil (2 BvE 5 /06) entschied Karlsruhe, dass die Regierung auch nicht die Beantwortung parlamentarischer Anfragen mit dem pauschalen Verweis auf Geheimhaltungsinteressen verweigern darf. In diesem Fall hatte die Grünen-Fraktion Auskunft begehrt zur eventuellen Ausforschung von Bundestagsabgeordneten durch Nachrichtendienste des Bundes und der Länder.
In ihrem Antrag ( 16/13865) verlangt die FDP, die Regierung solle die im BND-Ausschuss zurückgehaltenen Unterlagen "sofort vollständig" an die Obleute der fünf Fraktionen in diesem Gremium übergeben. Dazu sei die Regierung verpflichtet. "Die Zeit für eine Auswertung dieser Akten reicht in der laufenden Legislaturperiode durchaus noch aus", heißt es in der Vorlage. Auch anderen Instanzen des Bundestags wie etwa dem für die Aufsicht über die Geheimdienste zuständigen Parlamentarischen Kontrollgremium oder dem Innenausschuss müssten bislang vorenthaltene Informationen zugänglich gemacht werden.
Linke und Grüne wollten angesichts des Karlsruher Urteils ursprünglich einen neuen BND-Untersuchungsausschuss beantragen. Diese Vorlage wird aber nicht eingebracht, weil die Liberalen nicht zustimmen wollen. Nur alle drei Fraktionen zusammen erreichen jedoch das Mindestquorum für die Einsetzung eines solchen Gremiums. Der FDP-Abgeordnete Hellmut Königshaus sagte, ein neuer BND-Ausschuss könne in dieser Legislaturperiode "nicht mehr wirksam werden". Linke und Grüne kritisierten die Haltung der Liberalen. Die FDP habe "Angst vor der eigenen Courage", so Dagmar Enkelmann von der Linksfraktion.