Auf der Homepage der
Unions-Bundestagsfraktion wird der Gesetzentwurf als tolle Sache
verkauft: Von einer "guten Nachricht" ist da zu lesen, "moralischer
Wiedergutmachung" und "Genugtuung" für die Opfer - und auch
ein kleiner Hinweis auf diejenigen, denen dieser Erfolg zu
verdanken ist, fehlt nicht: Die Union habe ihren "Koalitionspartner
überzeugt", der Einführung einer Ehrenpension für
die Opfer der SED-Diktatur zuzustimmen.
Im Januar hatten sich Union und SPD nach
jahrelangem Streit geeinigt und einen gemeinsamen Antrag (
16/4167 ) auf den Weg gebracht, in dem
Eckpunkte für ein 3. SED-Unrechtsbereinigungsgesetz enthalten
sind. Danach sollen die Mittel der "Stiftung für ehemalige
politische Häftlinge" von derzeit 1,6 auf 3 Millionen Euro
erhöht werden und die Antragsfristen zur Rehabilitierung, die
nach derzeitigem Stand am 31. Dezember 2007 auslaufen, bis Ende
2011 verlängert werden.
Im Mittelpunkt des Antrags steht jedoch die
Forderung, für Opfer der SED-Diktatur eine so genannte
Opferpension einzuführen: Die Pension in Höhe von 250
Euro sollen Menschen erhalten, die mindestens sechs Monate aus
politischen Gründen in Haft saßen - und deren Einkommen
1.035 Euro (Alleinstehende) bzw. 1.380 Euro (Verheiratete) nicht
übersteigt.
Die Koalitionsfraktionen sehen darin eine
"nicht nur symbolische Anerkennung der erlittenen Nachteile und
Schädigungen" für jene Menschen, "die sich gegen die
Diktatur der SED gewehrt und um den Preis erheblicher
persönlicher und sozialer Nachteile und unter Einsatz ihres
Lebens für Freiheit und Demokratie eingesetzt haben".
Keine Almosen
Doch diejenigen, die von diesen Neuerungen
profitieren sollen, teilen die Freude von Union und SPD nicht: Die
"hoffnungsvollen Erwartungen" der ehemaligen politischen
Häftlinge des Kommunismus in der früheren DDR seien "in
Bestürzung, bei vielen sogar in Empörung umgeschlagen",
teilt der Vorsitzende der Union der Opferverbände
kommunistischer Gewaltherrschaft, Horst Schüler, in einem
offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit. Die
geplanten Zahlungen verdienten die Bezeichnung Opferrente nicht -
eher müsse man von einer "Almosenzahlung" sprechen.
Außerdem gebe es bereits eine Unterstützung der
"Stiftung für ehemalige politische Häftlinge" für
die Opfer kommunistischer Gewalt, die sich in Not
befänden.
Auch der Bundesgeschäftsführer des
Verbandes, Detlef Stein, sieht den Antrag der Fraktionen "mit
gemischten Gefühlen". Im Gespräch mit dieser Zeitung
bemängelt er, dass von der geplanten Opferpension nur
Personenkreise profitierten, die mindestens sechs Monate in Haft
gewesen seien. "Da fallen viele Opfergruppen einfach raus:
Menschen, die nach 1945 in die Sowjetunion deportiert wurden,
Dopingopfer oder verfolgte Schüler und Studenten, denen
Bildungschancen verwehrt wurden." Bislang vermisse er sozial- und
kulturpolitische Maßnahmen zusätzlich zur finanziellen
Unterstützung der Opfer. "In Estland, Kroatien oder Bulgarien
gibt es so etwas. Denkbar wären freie Fahrten mit der Bahn und
dem öffentlichen Nahverkehr oder auch eine kostenlose
Versorgung mit Medikamenten", so Stein.
Vorsichtiger in ihrer Bewertung ist Anne
Kaminsky, die Geschäftsführerin der Stiftung zur
Aufarbeitung der SED-Diktatur. "Ich denke, es ist ein erster
Schritt, auch wenn an einigen Stellen dringend nachgebessert werden
muss." Auch sie bemängelt, dass nach dem derzeitigen Entwurf
eine Reihe von Opfergruppen von der Entschädigung ausgenommen
sei. Über die Bemessungsgrenzen müsse man nachdenken.
"Wir hatten viele verzweifelte Anrufe von Menschen, die sagten:
'Wir sind schon wieder nicht dabei.' Diese Menschen wollen keine
Almosen; sie wollen, dass der Staat anerkennt, dass sie einmal
für demokratische Rechte gekämpft haben." Auch wenn es
schwer sei, erlittenes Unrecht und Leid wieder gutzumachen, gehe es
auch um ein Zeichen, so Kaminsky: "Es gilt, die Diskrepanzen im
Umgang mit denen, die dem System gedient haben und heute vom
geltenden Rentenrecht profitieren, und denen, die sich dem System
widersetzt haben und an den Folgen teilweise bis heute leiden, zu
beseitigen."
Kleine Helden
Das ist auch für den ehemaligen
DDR-Oppositionellen Rainer Eppelmann (CDU) ein entscheidender
Punkt: "Es wäre fatal, wenn der Eindruck entstünde, die
Großzügigkeit gegenüber den Tätern von gestern
- wegen denen sogar das Rentenrecht verändert wurde - sei
größer als die Anerkennung der kleinen Helden."
Eppelmann hofft nun auf den parlamentarischen
Prozess. "Ich finde es grundsätzlich gut, dass der
Großen Koalition nun gelungen ist, was weder Schwarz-Gelb
noch Rot-Grün hinbekommen haben. Doch was die Opfer fordern,
geht zu Recht weiter als das, was der bisherige Ansatz vorsieht -
schließlich geht es hier um eine Würdigung der Tatsache,
dass es Menschen ein- oder mehrfach in ihrem Leben gewagt haben,
Zivilcourage zu zeigen und dafür Nachteile in Kauf zu nehmen."
Die Pension solle all denen, die aus politischen Gründen
länger als ein halbes Jahr in DDR-Haft saßen, gezahlt
werden - unabhängig von deren jetziger finanzieller Situation.
Eppelmann weiß: "Wiedergutmachen kann man das Leid nicht.
Aber man kann es würdigen."